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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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auch. Also mach dir keine Gedanken. Und schau, wer die wahre Entenmutter ist.»
    Der alte Blohm, Diener im Hause Herrmanns, seit Claes ein Schuljunge war, stakste mit steifen Beinen, ein großes Leintuch über dem Arm, zum Ufer und wartete mit strengem Blick, bis sein Herr endlich aus dem Wasser stieg und sich in das Tuch wickeln ließ. Anne und Augusta sahen amüsiert die beiden Männer, von denen einer einem Leichenbitter glich, der andere einem zwar tropfenden, aber stolzen Römer in einer Toga, zum Haus gehen. Und während Claes sich dort in einen sonntäglichen Kaufmann zurückverwandelte, trafen schon die ersten Gäste ein.
    Anne, Claes und Augusta waren im Juli nach Hamburg zurückgekehrt, nur einige Tage nach Wagner und Karla, diesmal auf einem sicheren Schiff mit einem zuverlässigen Kapitän. Die Becker’schen Komödianten hingegen hatten sich erst Anfang August von London verabschiedet und waren vor wenigen Tagen in Hamburg eingetroffen. Nun war es höchste Zeit, die letzten Neuigkeiten über die englische Episode auszutauschen und das glückliche Ende des Sommers zu feiern.
    Eine halbe Stunde später saßen alle an der langen Tafel. Rudolf und Gesine, die sich in Gesellschaft reicher Leute stets unbehaglich fühlten, hatten es vorgezogen, einen Besuch bei Matti und der alten Lies auf dem Hamburger Berg zu machen, Fritz und Manon begleiteten Muto zu einer Vorstellung der englischen Pantomimen, die auf dem gleichen Schiff wie die Becker’sche Gesellschaft nach Hamburg gereist waren und heute ihre erste Vorstellung im kleinen Komödienhaus am Dragonerstall gaben. So waren nur Rosina, Titus, Jean und Helena von der Fuhlentwiete durch das Dammtor hinaus an die Alster gewandert. Am Valentinskamp hatten sie Luise Boehlichabgeholt, die für diese Einladung endlich ihre Trauerkleidung gegen ein mit roten und blauen Streublumen bedrucktes Kattunkleid vertauscht hatte. Sie sah aus wie das blühende Leben. Was nicht unbedingt daran lag, dass sie Cornelis Kloths Tod äußerst rasch verschmerzt hatte, sondern vielmehr an dem Brief, den sie, seit er vor einigen Tagen angekommen war, stets bei sich trug.
    Es war ein langer Brief, und zum Schluss hatte Bendix Hebbel geschrieben, Mr.   MacGavin habe sich großzügig bereit erklärt, ihn schon zu Michaelis aus seinem Vertrag zu entlassen, er werde noch im Oktober in Hamburg eintreffen. In London habe er trotz seines kurzen Aufenthaltes viel gelernt, und er hoffe, dass noch ein Platz an einer ihrer Pressen für ihn frei sei.
    Beim Gasthaus
Alte Rabe
trafen sie Wagner und Karla, die schon dringend auf sie warteten. Nichts wäre Wagner peinlicher gewesen, als Erste, sozusagen allein, bei den Herrmanns’ einzutreffen.
    Als die Terrine mit der Schildkrötensuppe leer und die Teller abgeräumt waren, fanden alle, dass die Ergebnisse von Elsbeths Kochkunst sich keinesfalls hinter der Delikatesse der
Shakespeare’s Head Tavern
verstecken müssten. Die Platten und Schüsseln mit Kirschsoße zu in Zwiebeln, Lorbeer, Thymian, Ingwer und Nelken gesottenen Enten, zart gekochtes Rindfleisch mit Pfefferminzsoße, Seezungen-Rouladen mit Champignons, junge Erbsen und Gurkensalat in Dill wurden aufgetragen, und endlich waren auch die höflichen Fragen nach dem gegenseitigen Wohlergehen, der Austausch über das Wetter auf der jeweiligen Überfahrt wie im Allgemeinen erledigt.
    Während Schüsseln herumgereicht und Teller gefüllt wurden, Blohm ganz nach Belieben leichten weißenWein oder Zitronenwasser einschenkte, verschwand Titus in die Küche, um endlich der seit Jahren so tief wie heimlich verehrten Elsbeth seine Aufwartung zu machen, und Augusta konnte ihre Neugier nicht mehr bezähmen.
    «Cilly Cutler hat mir geschrieben, William und Florence haben England nun verlassen. Wie konnte er das? Letztlich gehörte er doch zu der Bande von Schmugglern.»
    «Ihr vergesst, dass er ein Lord ist, Madame Augusta», sagte Rosina. «So einen henkt man nicht so leicht in England. Gehenkt haben sie bisher nur Landahl wegen des Mordes an Alma, den er schließlich gestanden hat. Sie war zornig, weil er sie nicht zu seinen Freunden und in die Theater mitnahm, sondern in der düsteren Half Moon Street versteckte. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie war ihm lästig, in jener Nacht haben sie sich wieder gestritten, und da hat er ihr das Kissen aufs Gesicht gedrückt, bis sie still war. Alwitz sitzt noch im Gefängnis, in Newgate, wie seine Komplizen. Es muss die Hölle sein, aber es heißt, sie

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