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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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wenn sie etwas andere Speisen mitgebracht hatten. Die meisten Neger in Ohio kommen aus dem Süden, wo das Essen recht pikant sein soll. Die Frauen tragen mehr Rüschen an den Kleidern, als eine Quäkerin es jemals tun würde, allerdings sind die Stoffe nicht von guter Qualität. Die Männer hatten dunkle Anzüge an und Strohhüte auf dem Kopf. Die Kinder waren sehr ausgelassen und lebendig und rannten wie die weißen Kinder mit Bällen, Windrädchen und Drachen über den Platz. Zusammen gespielt haben weiße und schwarze Kinder allerdings nicht.
    Die Reden waren lang, und ich muss zugeben, dass ich vieles nicht verstanden habe, was sicher nicht nur am amerikanischen Akzent lag. Die Leute sprechen hier recht unterschiedlich, was manchmal verwirrend ist. Ich hatte aber den Eindruck, dass selbst die Gegner der Sklaverei sich nicht einig darüber waren, wie sie abgeschafft werden soll. Manche waren für die sofortige Gleichberechtigung aller Schwarzen, während andere behaupteten, solch drastische Maßnahmen würden der Wirtschaft schaden, außerdem sei es besser, die Freiheit Schritt für Schritt einzuführen. Sie haben auch über den Kongress geredet, das amerikanische Gegenstück zu unserem Parlament. Dort wird gerade über eine neue Gesetzesvorlage zur Behandlung flüchtiger Sklaven debattiert, die auch das Hauptthema der Reden und Diskussionen in Oberlin war. Die Männer haben sich ziemlich in Rage geredet, manchmal haben sie sich sogar dazu hinreißen lassen, die Politiker persönlich zu beleidigen, und zwar mit Ausdrücken, wie ich sie noch nie gehört habe. Trotzdem haben die Reden mich sehr nachdenklich gemacht.
    Dann hat der Schmied aus Faithwell mit seiner ungekünstelten tiefen Stimme ein Gedicht zitiert, das von allen bejubelt wurde. Später habe ich mich nach dem Gedicht erkundigt und erfahren, dass es von John Greenleaf Whittier stammt und den Titel »Stanzas for the Times« trägt. Ich habe mir ein paar Zeilen aufgeschrieben, damit ich sie nicht vergesse:
    â€¦ geführt von unseres Landes Gesetzen
Für Wahrheit, Recht und gegen Menschenleid.
Wollen wir uns für die Freiheit einsetzen,
Wie sie Christen gebührt – und des Bürgers sei!
    Als es dunkel wurde, hängten die Collegestudenten bunte Laternen in die Bäume, und die Fiedler spielten Lieder, die ich nicht kannte. Es war ein sehr schöner Abend, und ich habe mich vielleicht zum ersten Mal seit meiner Abreise aus England in diesem fremden Land richtig wohl gefühlt.
    Nur ein Vorfall hat mir den Tag ein wenig verdorben. Ich stand gerade an einem Picknicktisch und hielt nach maisfreien Speisen Ausschau, als ich zufällig hörte, wie Judith Haymaker, eine Bäuerin, die uns Milch und Käse verkauft und im Andachtsraum von Faithwell zu den Ältesten gehört, etwas zu Adam sagte. »Es gehört sich nicht, dass ein Mann mit zwei jungen Frauen unter einem Dach lebt, die weder seine Schwester, Ehefrau noch Tochter sind. Das kann so nicht weitergehen.« Adams Antwort verstand ich nicht, aber er hat sehr ernst dabei geschaut.
    Gerne würde ich schreiben, dass mich dieser Vorwurf überrascht hat, doch es war nicht so. Judith Haymaker hat nur in Worte gefasst, was mich schon seit meiner Ankunft in Faithwell beschäftigt. Weder Adam noch Abigail haben es jemals ausgesprochen, doch manchmal herrscht zwischen uns eine Spannung, die ihren Ursprung ganz sicher in unserer ungewöhnlichen Hausgemeinschaft hat. Macht Euch aber trotzdem keine Sorgen um mich. Möge es Euch ein Trost sein, dass wir vielleicht längst eine Lösung gefunden haben, bis Ihr diese Zeilen lest.
    Eure Euch liebende Tochter,
Honor Bright

Wälder
    Am Ersttag nach dem 4. Juli bekam Honor Besuch. Sie saß gerade dösend mit Abigail und Adam auf der vorderen Veranda, und ihr war ein wenig übel. Beim Sonntagsessen hatte wieder einmal eine fette, versalzene Speckschwarte die Hauptrolle gespielt. Honor hatte noch nie zuvor in ihrem Leben so viel Schweinefleisch gegessen wie in Amerika. Sie sehnte sich nach Lamm, Fisch oder Geflügel – nach einfach zubereiteten, aber delikat schmeckenden Gerichten.
    Â»Honor Bright, mit dir habe ich ein Hühnchen zu rupfen!«
    Honor fuhr zusammen und öffnete die Augen. Vorm Haus stand ein leichter Buggy, in dem niemand anders als Belle Mills saß. Sie warf die Zügel über den weißen Lattenzaun vorm Haus und sprang

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