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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Patchwork zurück. »Du musst deiner Familie schreiben und ihnen die Umstände erklären. Sie müssen dir die Quilts schicken. Es wird zwar mehrere Monate dauern, aber wenigstens hast du sie dann irgendwann. Wie viele kannst du zurückfordern?«
    Honor zögerte. Es kam ihr unhöflich vor, Quilts zurückzufordern, die sie gerne verschenkt hatte. Sie überlegte, wen sie mit der Bitte am wenigsten beleidigen würde. »Vielleicht drei.«
    Â»Ich kenne die englischen Traditionen nicht«, sagte Judith, »aber hier bei uns hat eine junge Frau bis zur Hochzeit mindestens zwölf Quilts beisammen. Und ein dreizehnter wird zur Hochzeit gemacht, ein weißer Wholecloth. Vielleicht haben Abigail und Adam es dir nicht gesagt, weil im Fall von Abigails zweiter Ehe andere Regeln gelten. Also gut, wenn du den weißen Stoff bereitstellen kannst«, wandte sich Judith an Adam, »werden wir gegen Ende der Woche ein Quiltkränzchen veranstalten. Im Moment haben wir zwar mit der Ernte alle Hände voll zu tun, aber wir müssen uns die Zeit eben nehmen. Außerdem geben wir Honor drei von Dorcas’ Steppdecken. Zusammen mit den Quilts, die aus England kommen, hat sie dann acht.«
    Mit einem lauten Knall stellte Dorcas die Karaffe auf den Tisch und unterdrückte einen Schrei. Auf ihren Wangen waren rote Flecken erschienen.
    Â»Ja natürlich, ich stelle gerne das Material«, stimmte Adam zu. »Und ich danke dir, dass du Honor in deine Familie aufnimmst. Wenn die Quilts ein Problem sind, müssen wir die Hochzeit nicht überstürzen. Honor kann bei uns wohnen, bis sie so viele Quilts gemacht hat, wie sie braucht.« Besonders überzeugt klang Adam allerdings nicht.
    Â»Wenn etwas Ordentliches dabei herauskommen soll, würde es viel zu lange dauern«, erwiderte Judith Haymaker. »Um fünf gute Quilts zu nähen …«
    Â»Acht!«, unterbrach Dorcas. »Drei, um meine zu ersetzen.«
    Â»Für acht Quilts bräuchte Honor zwei Jahre, und das mit unserer Hilfe.«
    Adam schaute verwirrt. Obwohl er mit Stoffen handelte, hatte er eindeutig keine Ahnung, wie viel Arbeit in einem Quilt steckte. Er war nicht mit Schwestern aufgewachsen, die Quilts nähten.
    Â»Wenn sie allerdings applizieren würde, statt Patchworks zu machen, ginge es ein wenig schneller.« Judith deutete auf Honors Stoffflicken. »Es wird Zeit, dass du diese Sachen weglegst und dich an die Muster Ohios gewöhnst.«
    Honor hörte auf zu nähen und legte die Hände in den Schoß. Es gab Schlimmeres, als keine Sechsecke mehr nähen zu dürfen; wenn es von ihr verlangt wurde, dann machte sie eben Applikationen. Allerdings war sie immer davon ausgegangen, dass sie genügend Zeit für einen Hochzeitsquilt haben würde, wenn es eines Tages so weit war. Sie wollte ihn selbst entwerfen und das Quilten persönlich beaufsichtigen, obwohl sie als Braut nicht mitnähen durfte. Doch sie hätte ein oder zwei Näherinnen auswählen können, deren Arbeit sie vertraute. Bei dem Quiltkränzchen hingegen, das Judith Haymaker plante, würden viele Näherinnen mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten quilten. Bei einem Patchworkmuster blieben schlechte Nähte wenigstens unsichtbar, während bei einem einfarbigen Wholecloth die Nähte das A und O waren. Auf dem weißen Stoff würde man jede deutlich sehen. Jack und sie würden ihr Eheleben unter einem Quilt von zweifelhafter Qualität beginnen. Es war kein besonders verheißungsvoller Anfang.
    Ich darf nicht weinen, dachte sie, und ich werde nicht weinen. Um die Tränen zurückzuhalten, ließ sie den Blick auf der Suche nach einer Ablenkung über den Hof schweifen. Er fiel auf eine der Prunkwinden, die sich an den Verandapfosten hochrankten. In der Pflanze bewegte sich ein winziges Etwas. Honor blinzelte. Es war ein kleiner Vogel, kaum größer als eine Biene, aber mit einem nadelspitzen Schnabel. Er bewegte die Flügel so schnell, dass sie nicht zu sehen waren. Während Honor ihn beobachtete, steckte der Vogel seinen Schnabel in eine Blüte, um den Nektar zu trinken.
    Jack folgte ihrem Blick. »Das ist ein Kolibri«, sagte er. »Hast du noch nie einen gesehen? Gibt es in England etwa auch keine Kolibris? Keine Leuchtkäfer und keine Kolibris?«
    Honor schüttelte den Kopf und verscheuchte mit der Bewegung den Vogel, der aber bald wieder angeflogen kam. »Nein, ich

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