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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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führten sie zurück nach unten und brachten sie ins Krankenzimmer neben der Küche. Es war ein kleiner, quadratischer Raum mit einem schmalen Bett, einem Holzstuhl und einem Kabinett, auf dem eine Wasserschüssel mit Krug stand. Im Kabinett war der Nachttopf versteckt, und an der Wand darüber hing ein Medizinschrank, in dem Leinenstreifen, Kampferfläschchen, Senf und andere Hausmittel, die Honor nicht kannte, aufbewahrt wurden. Das Bett war mit alten Leinenlaken und einer grauen, fürchterlich kratzigen Wolldecke bezogen. Ein Fenster ging auf den hinteren Hof hinaus. Die Frauen öffneten es und ließen auch die Tür zur Küche einen Spalt weit offen, damit ein wenig Luft zirkulieren konnte, auch wenn diese schwül und schwer war und sich kaum bewegte.
    In den ersten Tagen ihrer Krankheit schwankte Honor zwischen Frieren und Schwitzen, Fieberdelirium und Klarheit. Mal sehnte sie sich danach, die Haymakers bei sich zu haben, dann wollte sie wieder allein gelassen werden. Wenn Dorcas nach ihr sah oder Jack sich zu ihr ans Bett setzte, gab Honor manchmal vor zu schlafen, denn reden oder zuhören strengte sie zu sehr an, zumal ihr die Haymakers immer noch recht fremd waren. Sie konnte nicht an viele gemeinsam verbrachte Stunden anknüpfen, in denen sie sich über das Wetter unterhalten hatten, die Kühe, die Arbeit auf dem Hof und die fürchterliche Hitze, bei der die Milch schnell sauer wurde. Es hatte noch keine Gelegenheit gegeben, darüber zu reden, wie Honor auf dem Hof schlief, was die Nachbarn machten und was Freunde und Verwandte ihr geschrieben hatten, sodass auch die Haymakers nicht so recht zu wissen schienen, worüber sie sich mit Honor unterhalten sollten. Wenn Jack neben ihr saß oder Judith Haymaker ihr Brühe einflößte, während Dorcas in der Tür lungerte, behalfen sich die Familienmitglieder damit, sich über Honors Kopf hinweg zu unterhalten. Manchmal spülten sie auch, um irgendetwas zu tun zu haben, den sauberen Nachttopf aus, strichen die Laken glatt, machten das Fenster auf oder zu und fegten den Boden.
    Wenn Honor allein im Zimmer war, sah sie einfach zu, wie sich das Licht an der Wand veränderte, denn sie fühlte sich noch zu schwach und benommen, um sich aufzusetzen und zu lesen oder zu nähen. Manchmal war es im Zimmer so heiß, dass sie das Gefühl hatte, mit der Luft zu verschmelzen, doch selbst in ihrem Delirium begriff sie, dass das Unsinn war. In solchen Momenten war sie froh, wenn einer der Haymakers ins Zimmer trat oder, was ein oder zwei Mal geschehen war, Adam, um sie daran zu erinnern, wer sie war und wo sie sich befand.
    Abgesehen von ihrer Seekrankheit an Bord der Adventurer war Honor schon lange nicht mehr so schwer krank gewesen. Sie verbrachte eine Woche liegend im Bett, bevor sie sich das erste Mal aufsetzte, und es dauerte eine weitere Woche, bis sie wenigstens kurz aufstehen konnte.
    Die Haymakers kümmerten sich fürsorglich um Honor, schienen aber über die Schwere ihrer Erkrankung nicht weiter beunruhigt zu sein. »Es ist Fieberfrost«, erklärte Judith Haymaker, als Honor sie fragte, warum es ihr immer noch nicht besser gehe. »Der bleibt gern lang. Irgendwann bekommt ihn jeder einmal.«
    Honors Krankheit überschnitt sich mit der Haferernte. Allerdings ging es ihr zu Erntebeginn schon wieder gut genug, dass die Haymakers sie allein lassen und aufs Feld gehen konnten, wo jede Hand gebraucht wurde. Honor bedauerte, dass sie nicht mithelfen konnte, denn sie hatte gehofft, dass die Zusammenarbeit ihr Zugehörigkeitsgefühl zur Bauerngemeinschaft stärken würde. Als Jack nach dem ersten Erntetag kurz bei ihr hereinschaute, erzählte sie ihm von ihren Bedenken. »Es wird noch viele Jahre geben«, beruhigte er sie und schlief im nächsten Moment auf dem Stuhl neben ihrem Bett ein.
    Das Fenster des Krankenzimmers ging auf den hinteren Hofteil zwischen Scheune, Wagenschuppen und Hühnerhaus hinaus. Honor betrachtete diesen kleinen Ausschnitt der Welt dort draußen stundenlang. Anfangs schien sich überhaupt nichts zu rühren, doch nach einer Weile fielen ihr kleine Bewegungen auf: gelb-schwarze Schmetterlinge flatterten vorbei, Blätter wirbelten in einer Brise auf, und die Schatten wanderten langsam über den staubigen Boden.
    Eines Tages, als die Haymakers auf dem Feld waren, beobachtete Honor vom Bett aus zwei Streifenhörnchen, die sich um den Brunnen in der

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