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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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habe noch nie einen gesehen.«
    Â»Wir haben schon zwei Heuernten eingebracht«, fuhr Judith fort, die sich über die Unterbrechung zu ärgern schien, »und wir werden diesen Sommer noch eine weitere einbringen. Der Hafer ist reif, dann kommt der Mais, außerdem haben wir noch den ganzen Gemüsegarten. Wir erwarten nicht von Honor, dass sie auf dem Feld arbeitet, aber sie kann kochen, sich um den Garten kümmern, die Kühe melken und Käse verkaufen. Die Erntezeit ist für uns immer die schwierigste Zeit im Jahr, und wir sind nur zu dritt. Zu viert geht es leichter. Wenn Honor uns irgendwie nützlich sein soll, müssen Jack und sie so bald wie möglich heiraten.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber nur acht Quilts zur Hochzeit. Wo hat man so etwas schon gehört?«
    Honor bemerkte, dass Jack sich nicht zu den Quilts äußerte, sondern das Verhandeln seiner Mutter überließ. Vielleicht war er der Ansicht, seinen Beitrag zu der ganzen Angelegenheit bereits im Maisfeld geleistet zu haben. Doch als Judith das Gespräch beendet hatte, führte er Honor und Adam über den Hof und zeigte ihnen voller Stolz, was die Haymakers sich aufgebaut hatten. Erst da wurde Honor bewusst, wie sehr sich ihr Leben verändern würde. Bei Abigail und Adam hatte es wenigstens andere Häuser und den Kaufladen in der Nähe gegeben. Der Hof der Haymakers befand sich zwar nur eine Viertelmeile von Faithwell entfernt, aber es führte nur ein schmaler, zerfurchter Weg dorthin, sodass man das Gefühl hatte, er läge sehr abgeschieden. Das Land um den Hof herum war zwar gerodet, es gab einen Vorgarten und einen Garten hinter dem Haus, Gemüsebeete, einen Obstgarten und eine Kuhweide, doch trotzdem schien die Wildnis dem Hof unangenehm nahe zu rücken und ihn von allen Seiten zu bedrängen. Gleich hinter der westlichen Grenze, der Stelle, an der Honor und Belle einst umgekehrt waren, begann der Wald. Eigentlich hatte Honor Bäume immer geliebt; doch die Buchen, in die ihre Brüder daheim in England geklettert waren, der Apfelgarten hinterm Haus und die Kastanienbäume, deren Früchte sie im Herbst gesammelt hatten, ließen sich kaum mit den urtümlichen Baumriesen – den Bur-Eichen, Schwarz-Eschen, Buchen und Ahornbäumen – dieses Waldes vergleichen. »Der Wielandwald«, nannte Jack ihn. »Wir haben ihn nach meinem Vater benannt.« Honor blickte ihn fragend an. »Er ist in North Carolina gestorben. Bei einem Brand.«
    Sie fragte nicht weiter, denn Jacks Gesicht wirkte plötzlich verschlossen.
    Fast genauso einschüchternd wie die bedrängende Nähe des Waldes empfand Honor die Tiere auf dem Hof. In Dorset hatten sie acht Hühner gehalten, doch was Honors Familie außer Eiern brauchte, wurde beim Metzger oder im Milchladen gekauft. Die Haymakers besaßen achtzig Hühner: zwanzig Legehennen und sechzig Masthühnchen. Es gab zwei Pferde, zwei Ochsen, die mit einem anderen Hof geteilt wurden, acht Kühe (»Und jedes Jahr kommt eine weitere hinzu«, erklärte Jack voller Stolz) und vier riesige Schweine, die ekelerregend stanken. Genau genommen stank der ganze Hof nach Tieren. Für Honor war es unvorstellbar, wie man tagein, tagaus inmitten derart durchdringender Ausdünstungen leben konnte, doch Jack führte Honor und Adam jedes einzelne Tier vor. Adam war höflich und wirkte ehrlich interessiert, während in Honor das Grauen wuchs. Niemals würde sie auf eine Kuh stolz sein! In Bridport hatte sie weit von den Ställen und Scheunen der Bauern entfernt gewohnt. Landwirtschaftliche Produkte hatten die Brights immer in Läden gekauft, doch jetzt würde sie an einen Ort ziehen, an dem sie hergestellt wurden. Es waren eine neue Welt und ein völlig neues Leben. Auf seinem Hof, inmitten von tierischen Ausdünstungen und Geräuschen, wirkte Jack plötzlich wie ein Fremder. Honor würde sich auch an diesen anderen Jack erst noch gewöhnen müssen.
    Der einzige Ort auf dem Hof, an dem sie sich ein wenig wohler fühlte, war der Heuschober. Dort überlagerte der süße, trockenstaubige Heugeruch den Gestank von Jauche und Dung, und es war still. Man hörte weder die Tiere unten in den Ställen noch die Menschen, die ihrer Arbeit nachgingen. Honor konnte sich vorstellen, dass sie sich in den Heuschober flüchten würde, wenn sie dem Treiben auf dem Hof für ein paar Minuten entkommen

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