Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
Vom Netzwerk:
unserem Bett ausbreitete, sind mir beim Anblick der vertrauten Stoffe und Muster die Tränen gekommen. Ich bin Dir unendlich dankbar für Dein Verständnis und die Großzügigkeit, mit der Du mir den Quilt überlassen hast, zumal ich aus gewissen Bemerkungen in Deinen letzten Briefen herauszuhören glaube, dass Du bald selbst genügend Quilts brauchen wirst! Meine Schwiegermutter ist sehr erfreut, dass die Quilts endlich eingetroffen sind, obwohl sie und Dorcas ziemlich verblüfft geschaut haben, als sie die Decken vor sich sahen. Englische Patchworks sind ganz eindeutig nicht nach ihrem Geschmack, sie haben auch gar nicht versucht, das zu verbergen.
    Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich im Winter öfter zum Briefeschreiben kommen würde. Zeit hätte ich genug, denn draußen wächst nichts mehr, der Schnee liegt bis unter die Fenster, und wir verlassen das Haus mehr oder weniger nur noch, um zu melken, das Vieh zu füttern oder zur Andacht zu gehen. Trotzdem kann ich mich nicht so recht zum Schreiben überwinden, vielleicht weil es so wenig zu erzählen gibt. Jeder Tag gleicht dem anderen. Schon seit einem Monat sind wir im Haus zusammengepfercht wie die Hühner und Kühe im Stall, und ich habe das Gefühl, mit der Zeit immer müder und schwerfälliger zu werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass es mir in den Wintern daheim so ergangen wäre: In Dorset war es milder, es fiel nicht so viel Schnee, und weil wir in der Stadt lebten, konnten wir drei, Grace, Du und ich, uns immer draußen herumtreiben. Wir haben Menschen vorbeigehen sehen, es wurden Waren und Ideen ausgetauscht, und wir haben uns die frische Seeluft um die Ohren wehen lassen. Hier sitze ich den ganzen Tag lang mit Dorcas und Judith in der Küche, dem wärmsten Raum des Hauses, doch die Luft ist so verbraucht wie unsere Gespräche. In solchen Momenten frage ich mich, was ich Dir überhaupt schreiben soll, und schiebe es deshalb auf die lange Bank. Dafür entschuldige ich mich. Doch jetzt hat mir die Ankunft Deines Briefes und der Quilts einen guten Grund gegeben, endlich zum Stift zu greifen.
    Wenn ich daran denke, dass ich Dir in meinem letzten Brief geschrieben habe, ich freute mich auf die Kälte, muss ich lächeln. Wie sehr ich mich jetzt nach dem Sommer sehne! Seit Wochen liegt eine dicke Schneedecke, alle paar Tage kommen ein paar Zentimeter hinzu, und nie taut etwas weg. Jack hat Wege zum Hühnerstall, zum Brunnen, zum Klohäuschen und zur Scheune freigeräumt, außerdem trampelt er regelmäßig mit dem Pferd einen Pfad nach Faithwell, wohin wir Milch liefern. Trotzdem ist es schwer, durch den Schnee zu kommen, und die Kälte treibt uns immer schnell zurück ins Haus. Wenn ich morgens zum Melken über den Hof gehe, werden meine Finger so steif, dass ich kaum noch an den Zitzen ziehen kann. Ich muss mir dann erst die Hände an der Kuhflanke aufwärmen. Wenigstens sind die Tiere warm, und ihr Atem verhindert, dass es in der Scheune friert. Die Hühner verlassen ihren Stall nicht mehr und legen nur wenig; manchmal erfriert eines, und wir müssen es essen. Das ist immer schrecklich für mich, weil die Legehennen dazu nicht gedacht sind.
    Es gibt jetzt viel weniger Arbeit im Haushalt, und ich finde es seltsam, dass wir uns durch all die guten Sachen essen, die wir im Sommer und Herbst unter so viel Mühen eingekocht und eingelagert haben. Aber das ist natürlich Sinn und Zweck der Vorratshaltung. Jeden Tag wird die Vorratskammer um ein oder zwei Gläser ärmer. Jede Woche schlachten wir ein Huhn. Wir verzehren Schinken und Speck des Schweines, das wir im letzten Monat geschlachtet haben. Die Kartoffel- und Karottenmieten im Keller werden leerer. Draußen in der Scheune sind die Heuberge, die im Herbst so riesig wirkten, zu kleinen Hügeln geschrumpft. Der Maisspeicher ist noch gut gefüllt, doch die Pferde fressen jeden Tag eine ordentliche Portion weg, und mit dem Hafer geht es nicht anders. Wenn ich mit ansehe, wie alles dahinschwindet, aber wegen Schnee und Kälte nichts Neues nachwächst, bekomme ich ein ganz komisches Gefühl, eine Art Panik, dass uns demnächst das Essen ausgehen könnte und wir alle verhungern müssten. Die Haymakers haben natürlich schon viele solche Winter erlebt und sind zuversichtlicher. Sie sind es gewohnt, alles, was wir brauchen, selbst herzustellen und nichts zu kaufen. Täglich sehe ich Jack und

Weitere Kostenlose Bücher