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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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erblickte. Sosehr sie sich auch um Gleichgültigkeit bemühte, raste ihr Puls doch jedes Mal, wenn sie ihn erblickte, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Als sie ihn jetzt vor sich sah, fiel ihr ein, dass auch Donovan keinen Grund mehr hätte, nach Faithwell zu kommen, wenn sie den entflohenen Sklaven die Hilfe verweigerte und sie sich eine andere Fluchtroute suchen würden. Sein Wiederauftauchen im Frühjahr hatte Judith bereits unwirsche Kommentare entlockt und Jack wütend gemacht. Ich muss das Richtige tun, dachte Honor. Für das Baby und für die Familie.
    Unwillkürlich zog sie den Bauch ein, obwohl sie wusste, dass man ihr die Schwangerschaft in diesem frühen Stadium noch nicht ansah. Dann ging sie, die Hände fest im Schal verkrampft, weiter auf Donovan zu. Als sie vor dem Hotel stand, begrüßten seine Kumpane auf der Veranda sie mit Johlen und Pfeifen. Honor wartete ungerührt ab, bis die Männer still wurden. »Donovan, ich würde gern mit dir sprechen«, sagte sie, woraufhin die anderen erneut zu johlen und pfeifen begannen.
    Â»Du willst mit mir sprechen, Honor Bright? Das ist ja mal ’ne Neuigkeit. Ich dachte immer, mein Anblick sei dir verhasst.« Donovan erhob sich, wobei sein Stuhl auf den Boden kippte. »Worüber möchtest du denn sprechen?«
    Honor deutete auf die Straße. »Lass uns ein Stück zusammen gehen.«
    Donovan wirkte fast ein wenig verlegen. Lag es daran, dass eine Frau etwas von ihm wollte, oder hatte er das Gefühl, dass er die Situation ausnahmsweise einmal nicht in der Hand hatte? Honor war sich nicht sicher. Er kam jedoch die Verandastufen herunter und trat zu ihr, ungerührt von den Pfiffen und unflätigen Kommentaren der anderen Männer, was Honor mit ihm anstellen könne und er mit ihr. Honor versuchte nicht hinzuhören und marschierte entschlossenen Schritts vor Donovan die Straße entlang. Nur einmal blieb sie stehen, weil ein Wagen vorbeifuhr und sie nicht mit Matsch bespritzt werden wollte.
    Als sie weit genug vom Hotel entfernt waren und die Männer das Interesse an ihnen verloren hatten, verlangsamte Honor ihren Schritt, sodass Donovan sie einholen und neben ihr hergehen konnte. Mittlerweile hatte er seine Fassung wiedergewonnen und wirkte belustigt. »Was soll das alles?«, fragte er. »Du warst bis jetzt noch nie an meiner Gesellschaft interessiert. Langweilst du dich etwa schon mit Haymaker? Hat aber nicht lange gedauert. Was …«
    Â»Ich will mit dir über die Sklavenflüchtlinge sprechen und das, was ich mit ihnen zu tun habe«, unterbrach Honor ihn, damit sie sich seine üblichen Grobheiten erst gar nicht anhören musste.
    Â»Ha, du gibst es also zu! Ich war mir natürlich schon immer sicher, dass du Nigger versteckst, ist aber trotzdem nett, es aus deinem Munde zu hören.«
    Â»Die Familie meines Mannes – meine Familie – ist damit nicht einverstanden, und ich will mich ihren Wünschen nicht widersetzen. Du brauchst also nicht mehr an unserem Hof vorbeizureiten. Es wird sich dort niemand mehr verstecken.«
    Donovan zog die Augenbrauen hoch. »Einfach so? Du hörst einfach so damit auf?«
    Â»Im Winter sind keine Flüchtlinge gekommen, und jetzt im Frühjahr waren es nur wenige. Ich werde erst gar nicht mehr damit anfangen.«
    Â»Und was ist mit deinen Überzeugungen? Ich dachte, du bist gegen die Sklaverei und willst, dass alle Nigger freigelassen werden.«
    Â»Das will ich auch. Aber meine Familie macht sich Sorgen wegen des Gesetzes, und ich will mich an das halten, was sie von mir verlangen.«
    Â»Soll ich dir sagen, was den Haymakers Sorgen macht, Honor Bright? Sie wollen keine Frau, die selber denken kann, sie wollen dich kleinhalten.«
    Â»Das stimmt nicht«, sagte Honor, doch weiter verteidigte sie die Haymakers nicht. Sie wusste, dass sie nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte, doch richtig gelogen war es auch nicht.
    Sie waren an die Trasse gekommen, die für die Eisenbahnschienen gerodet wurde. Eine breite Schneise klaffte an dieser Stelle im Wald wie eine Wunde. Honor blickte auf die Stümpfe, die noch herausgerissen werden mussten. Sie erstreckten sich bis zum Horizont, und jeder Stumpf war von einem kleinen, mit Wasser gefüllten Graben umgeben. »Warum haben sie die Gräben um die Baumstümpfe gegraben?«, fragte Honor.
    Â»Das Wasser weicht das Holz auf, dann lassen sich die Stümpfe

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