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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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antwortete, obwohl der Geruch von bratenden Zwiebeln nach draußen drang und das gedämpfte Klappern von Töpfen zu hören war.
    Als sie von der Eingangsveranda trat, um zum Haus hochzublicken, fiel Honor eine Bewegung auf. Sie drehte sich zum Nachbarhaus um, das so ähnlich aussah wie das Haus von Mrs Reed, nur dass es braun war und statt Blumen eine ungepflegte Brachfläche im Vorgarten hatte. Auf der Eingangsveranda saß ein farbiger alter Mann und schaukelte in seinem Schaukelstuhl. Er war Honor vorher nicht aufgefallen, doch jetzt grinste er sie an, wobei er zahnlose Gaumen entblößte, und deutete auf die Hinterseite des Hauses. Da bemerkte Honor den ausgetretenen Pfad im rauen Fingergras, der hinters Haus führte. Sie folgte ihm und konnte durch die offene Hintertür sehen, wie sich drinnen jemand bewegte. Als Honor etwas rief, hielt die Person inne, und einen Moment später tauchte Mrs Reed in der Tür auf. Diesmal trug sie nicht ihren Strohhut, sondern hatte ein rotes Tuch um den Kopf geschlungen. Ihre Brillengläser funkelten im Sonnenlicht, sodass Honor den Ausdruck in ihren Augen nicht sehen konnte. »Was wollen Sie denn hier, Honor Bright?« Mrs Reed sah sich um. »Schnell, rein mit Ihnen, bevor Sie jemand sieht.« Sie zog Honor ins Haus und machte die Tür hinter sich zu.
    Schnell war klar, warum Mrs Reeds Hintertür sperrangelweit offen gestanden hatte. In der Küche brieten in einer großen Pfanne Zwiebeln, die ein so starkes Aroma verströmten, dass Honor die Augen tränten. Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Kleiderärmel, um den Tränenfluss zu dämmen. »Es tut mir leid … diese Zwiebeln …«
    Mrs Reed machte keinerlei Anstalten, die Zwiebeln umzurühren, sondern verschränkte die Arme vor der Brust. »Was wollen Sie hier?«, fragte sie noch einmal und schob missbilligend die Unterlippe vor.
    Honor hörte auf, sich die Augen zu tupfen, obwohl sie gleich wieder zu tränen begannen. Sie holte tief Luft. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich nicht mehr … ich kann nicht mehr helfen. Ich lasse alle, die Flüchtlinge zu mir nach Faithwell geschickt haben, wissen, dass ich niemanden mehr verstecken oder mit Nahrungsmitteln versorgen kann. Ich dachte, Sie sollten es auch erfahren.«
    Mrs Reed zeigte keinerlei Reaktion, sondern wandte sich wieder ihren Zwiebeln zu. Honor nutzte die Gelegenheit, um sich in der Küche umzuschauen. Sie war noch nie im Haus einer Schwarzen gewesen und wusste nicht, was sie erwarten sollte.
    Die Küche von Mrs Reed war viel kleiner als die Küche der Haymakers; das ganze Haus war wesentlich kleiner und schien nur aus zwei Zimmern unten und zwei Zimmern oben zu bestehen. Das war aber nichts Ungewöhnliches, denn Bauernhäuser waren generell größer als Stadthäuser. Doch im Unterschied zur hellen und aufgeräumten Küche der Haymakers, mit den blank geputzten Oberflächen und den ordentlich aufgereihten Gläsern in den Vorratsschränken, war die Küche von Mrs Reed dunkel und unordentlich. Der Geruch von heißem Öl und Gewürzen hing so stechend in der Luft, dass Honor das Gefühl hatte, die Pfanne müsse jeden Moment anbrennen. Der Herd war alt und rußig und seine Oberfläche fleckig von Öl und Essensresten. In Regalen neben dem Herd standen deckellose Gefäße mit Salz, Pfeffer und Cayennepfeffer. Lorbeerblätter, Rosmarinzweige und andere getrocknete Kräuter und Zweige, die Honor nicht kannte, lagen in Büscheln verstreut neben Maisgries- und Mehltüten und Flaschen mit dunklen Saucen, die außen auf dem Glas eingetrocknete klebrige Spuren hinterlassen hatten. Oben über dem Herd hing eine Girlande aus getrockneten Chilischoten, die nicht aus Ohio stammen konnten. Doch so unordentlich die Küche auch aussehen mochte, Mrs Reed selbst wirkte sauber und adrett. Auf der blütenweißen Schürze, die sie über ihrem Kleid trug, war nicht ein Fettspritzer zu sehen, was angesichts der zischenden Zwiebeln und des großen blubbernden Topfes hinter der Zwiebelpfanne an ein Wunder grenzte.
    Mrs Reed nahm die schwere Zwiebelpfanne hoch. »Nehmen Sie den Holzlöffel dort«, wies sie Honor an und deutete mit dem Kopf auf einen mit Kochutensilien übersäten Tisch. Sie hielt die Pfanne über den Topf, wobei die angespannten Sehnen in ihren Unterarmen deutlich hervortraten. Honor nahm den Löffel und

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