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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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kratzte die Zwiebeln aus der Pfanne in den großen Topf, wo sie sich zu faserigem Hühnerfleisch und Tomaten gesellten.
    Â»Danke.« Mrs Reed setzte die Pfanne ab, griff nach ein paar Chilischoten und krümelte sie in den Eintopf. Dann wischte sie sich die Hände an der Schürze ab, nahm als Nächstes ihre beschlagene Brille von der Nase und putzte auch sie an der Schürze. Sie schien die Geste fast unbewusst auszuführen, so selbstverständlich wirkte sie. Vermutlich putzt sie sich die Brille mindestens zehn Mal am Tag, dachte Honor.
    Eine Weile lang herrschte befangenes Schweigen. »Haben Sie mir sonst noch was zu sagen?«, fragte Mrs Reed schließlich und holte sich eine Tüte Maisgries und aus einem Korb auf dem Boden zwei Eier. »Reichen Sie mir mal die Schüssel da drüben.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf eine irdene Schüssel auf der Anrichte. »Schütten Sie die Walnüsse einfach raus, die sind schon alt und bitter, man kann sie nicht mehr essen. Weiß auch nicht, warum ich die nicht längst schon weggeschmissen habe.«
    Während Honor tat, wie ihr geheißen wurde, überlegte sie, ob Mrs Reed sie noch nach dem Grund für ihre Entscheidung fragen würde, doch sie wirkte nicht besonders interessiert. »Ich bin schwanger«, sagte Honor schließlich.
    Mrs Reed häufte zwei Handvoll Maisgries in die Schüssel, griff nach dem Mehl und schüttete etwas davon zum Maisgries. »So, sind Sie das?« Sie blickte Honor von der Seite an. »Ja, ein klein bisschen dicker sind Sie schon. Es ist aber sicher noch ein ganz kleines Würmchen.« Sie brach zwei Eier über der Schüssel auf, nahm einen kleinen Topf vom Herd und goss dessen Inhalt mit in die Teigschüssel. Dann begann sie zu rühren. »Holen Sie mir mal den Krug von da drüben. Nein, nicht die Milch, die Buttermilch. Gießen Sie etwas zum Teig, während ich rühre. Halt, das reicht schon! So flüssig darf der Teig nicht werden. Bringen Sie mir noch eine Handvoll Maisgries und ein Ei.« Mrs Reed kommandierte Honor ganz selbstverständlich herum, als sei sie es gewohnt, in der Küche das Sagen zu haben. »Und jetzt noch drei, nein, vier Prisen aus der Dose dort. Das ist Soda.«
    Als Honor die vier Prisen Backsoda in den Teig rieseln ließ, begann im Nebenzimmer ein Baby zu weinen. »Verdammt, warum wird sie denn jetzt schon wach«, brummte Mrs Reed. »Das ist meine Enkelin. Gehen Sie rüber und holen Sie das Baby, ja? Das hier muss so schnell wie möglich in den Ofen, sonst wird es nicht mehr rechtzeitig fertig. Sie ist dort drüben.« Mrs Reed deutete zum vorderen Zimmer.
    Honor zögerte. Sie sollte endlich zu Adams Laden gehen, wo sie mit Jack verabredet war, und vorher musste sie noch den Brief an Belle zur Postkutsche bringen, die täglich nach Wellington fuhr. Doch das klägliche Jammern des Babys unterbrach ihre Überlegungen; außerdem war es unmöglich, Mrs Reed etwas abzuschlagen. So unmöglich, dass Honor vermutlich sogar weiterhin den entflohenen Sklaven helfen würde, wenn Mrs Reed sie darum bat. Doch Mrs Reed bat sie nicht.
    Es fiel nur ein schmaler Lichtstreifen in das verdunkelte Zimmer, deshalb zog Honor zuerst die Vorhänge auf. Als das Sonnenlicht ins Zimmer flutete, drehte das Baby, das auf einem von Stühlen umstellten Stapel aus Bettdecken und -tüchern lag, den Kopf. Bei Honors Anblick weiteten sich seine tränenfeuchten Augen vor Schreck, und das Weinen steigerte sich zu einem hohen Kreischen. Es war ein pummeliges Baby mit dichten schwarzen Locken, runden Backen und einem bogenförmigen Mund. Als Honor näher trat, rollte es sich ängstlich auf den Bauch und begann, mit Armen und Beinen zu strampeln wie eine auf einem Stein festsitzende Schildkröte. Honor schätzte das Alter der Kleinen auf fünf oder sechs Monate. Sie war alt genug, um sich herumzurollen, konnte aber noch nicht sitzen oder krabbeln. Honor rechnete. Das musste bedeuten, dass Mrs Reeds Tochter bereits schwanger gewesen war, als ihr Hochzeitskleid genäht wurde. Hoffentlich hatte der Stoff gereicht.
    Sie schob einen Stuhl zur Seite, ging neben dem Baby in die Hocke und legte ihm eine Hand auf den Rücken. »Na, komm schon, mein Kleines. Was ist denn?« Sie versuchte sich vorzustellen, dass sich die Wölbung ihres Bauches eines Tages in so einen zappelnden Schreihals verwandeln würde. Sie konnte es

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