Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Sieben und ein Herz-Ass mit einem Gesamtwert von fünfundfünfzig.
»Zeigt mir bitte Euer Blatt, Sir«, sagte Phillips mit verkniffenem Lächeln.
»Wenn Ihr darauf besteht«, erwiderte Tom lachend. »Aber ich glaube nicht, dass es Euch gefallen wird.« Er drehte seine Karten um: ein Pikbube und eine Pik-Zwei mit einem wertlosen Herz und ein Kreuz. Das Blatt war gerade einmal zweiundzwanzig Punkte wert, das niedrigste Blatt im gesamten Spiel.
Phillips stand auf, taumelte rückwärts gegen seinen Stuhl, der klappernd umfiel. Der Schankwirt knallte einen Krug mit Bier auf den Nachbartisch und rief: »Ich will hier keine Schlägerei haben.« Die Würfelspieler unterbrachen ihr Spiel und sahen zu ihnen hinüber. Tom blieb sitzen und schichtete seine Münzen, um sie besser zählen zu können, zu ordentlichen Türmchen auf.
Phillips Arm schoss nach vorn, wischte die Karten vom Tisch. Dann schlug er mit der Faust auf die Tischplatte.
»Verdammt, Ihr seid ein verlogener Hurensohn!«, schrie er.
Tom hielt Phillips nicht nur für einen Hitzkopf, sondern auch für einen erbärmlichen Feigling. Trotzdem wollte er schon seinen Dolch ziehen, der in seinem Stiefel steckte, als einer der Kaufleute Philipps’ Hand festhielt.
»Er hat ehrlich gewonnen. Lasst also die Sache auf sich beruhen.«
In der Stille, die folgte, stand Tom auf, steckte bedächtig sein Geld ein, und verbeugte sich.
»Ich danke für das Spiel, Gentlemen. Ich würde gern noch bleiben, damit Ihr etwas von Eurem Geld zurückgewinnen könnt, was Euch gewiss auch gelingen würde. Aber leider scheint es, als wäre unser junger Freund hier zu aufgeregt, um weiterspielen zu können. Ich denke, es ist klüger, wenn wir es dabei belassen.« Dann fügte er mit einem spöttischen Salut vor dem vor Wut schäumenden Henry Phillips hinzu: »Beim nächsten Mal habt Ihr bestimmt mehr Glück, Master Phillips.«
»Es wird kein nächstes Mal mehr geben, verdammter Bastard.«
Als Tom nach Cheapside eilte, um die reizende Witwe aus Lübeck abzuholen, lachte er laut. Er war sich ziemlich sicher, dass der Pfeil, der sein Schiff in Brand gesetzt hatte, entweder von Bischof Stokesley oder von Thomas More in Auftrag gegeben worden war. Jetzt würde das Geld des Bischofs dazu dienen, die letzte Rate für die Reparatur seines Schiffs zu begleichen. Darin lag eine befriedigende Gerechtigkeit. Er wünschte sich nur, dass die beiden dies auch erfahren würden.
Am neunten Mai, dem Tag des heiligen Gregor – Kate erinnerte sich stets an dieses Datum, da ihr Bruder einmal Gregors wunderschöne Gedichte über die Heilige Dreifaltigkeit aus dem vierten Jahrhundert gedruckt hatte –, stand der Kapitän in aller Frühe vor Kates Tür. Sein Schiff sei zur Inspektion bereit, verkündete er freudig, und sie sollten es für seetüchtig erklären. Mit einem Schlag wurde ihr Herz schwer wie ein Stein, aber sie zwang sich zu einem Lächeln und setzte Madeline ihre hübscheste Haube auf.
Die Sonne kletterte den Himmel hinauf und ihre Strahlen tanzten auf dem Wasser, als sie in einem gemieteten Einspänner über das Kopfsteinpflaster des Woolwich-Kais klapperten. Die Luft roch nach Frühling, nach Meer und nach dem Mandelduft des kleinen Schiffs aus Marzipan, das Madeline in ihren klebrigen Fingern hielt.
»Ihr verwöhnt sie viel zu sehr«, hatte Kate gesagt, als der Kapitän dem Mädchen das Schiff schenkte.
»Es ist ja auch ein besonderer Anlass«, erwiderte er. »Das Marzipan soll sie immer daran erinnern.«
Sie hatte ihn selten so aufgeregt gesehen. Er kann es gar nicht erwarten, wieder in See zu stechen , dachte sie. Und dann wird er keinen Gedanken mehr an uns verschwenden.
Es lagen mehrere Schiffe im Hafen – einige waren noch immer mit Fahnen vom ersten Mai geschmückt, von einem wehte Dudelsackmusik herüber –, aber nur eine einzige Karavelle hatte die passende Tonnage und verfügte über einen vollgetakelten Großmast. Dieses Schiff sah jedoch nicht aus wie die Siren’s Song.
»Da ist sie«, verkündete der Kapitän stolz.
»Wo?«, fragte Kate. »Ich sehe sie nicht …«
»Da.« Er zeigte auf die Karavelle und lachte. »Dasselbe Schiff. Ein neuer Name.«
Kate hielt die Hand vor die Augen, um die eleganten Buchstaben auf dem Rumpf erkennen zu können, aber die Sonne blendete sie zu sehr.
»Ihr habt den Namen doch so sehr geliebt. Ihr sagtet einmal, dass das Meer die einzige Sirene sei, der Ihr nicht widerstehen könntet.«
»Vielleicht habe ich inzwischen ja noch eine
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