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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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nur allzu deutlich bewusst war, dass er allein Humphrey Monmouth das Dach über seinem Kopf, jeden Bissen Fleisch, den er aß, und jeden Schluck Dünnbier, den er trank, zu verdanken hatte.
    Erasmus’ griechisches Evangelium, das er in die viel zu kleine Tasche seines Wamses gestopft hatte, lockte ihn über die Maßen. Was für ein glücklicher Zufall, dass er es auf dem Jahrmarkt gefunden hatte. Das griechische Evangelium war, ebenso wie Erasmus’ lateinische Übersetzung, nicht verboten, da nur Kirchenleute und Gelehrte Altgriechisch und klassisches Latein beherrschten, aber es war aus ebendiesem Grund auch nicht sehr verbreitet. Nur allzu gern hätte er sich auf der Stelle mit diesem Text beschäftigt, aber genau in diesem Moment hatte Monmouth ihn gesehen und winkte ihn mit Nachdruck zu sich.
    Als William mit seinem Gönner durch den Torbogen in den großen steinernen Saal trat, sagte ihm ein einziger Blick, dass es sich hier um eine Gesellschaft sehr wohlhabender Männer handelte. Durch die großen Glasfenster am anderen Ende des Saales fiel reichlich Licht, und dennoch hatte man die Fackeln in den Wandleuchtern entzündet. Ihr verschwenderischer Schein glänzte auf den von Silberfäden durchwobenen Gewändern, den Juwelenringen und den goldenen Ketten der Kaufleute, die auf Holzbänken an den Wänden des Saals saßen. Frische Kräuter, die man zwischen die Binsen auf den Boden gestreut hatte, würzten den Geruch, den mächtige Männer verbreiten, wenn sie miteinander verhandeln. Einer der Kaufleute sah in ihre Richtung und rief mit starkem deutschem Akzent:
    »Monmouth! Bringt Master Tyndale hierher.«
    Verblüfft darüber, dass der Mann seinen Namen kannte, fiel William erst jetzt ein, dass er keine Kappe trug. Er strich sich die Haare zurück, was, wie ihm nur allzu deutlich bewusst war, seine hohe, gewölbte Stirn betonte. Monmouth schob ihn auf den Tisch zu, der direkt unter dem Wappen der Kaufleute stand.
    Ein stämmiger Mann mit rotgoldenem Bart und der Selbstsicherheit eines Wikingerfürsten beugte sich über den Tisch und ergriff seine Hand, während er das Wort an sie beide und, nach der Lautstärke seiner Stimme zu urteilen, auch an den gesamten Saal richtete.
    »Monmouth hat uns viel von Euch erzählt, Tyndale, und wir sind alle sehr gespannt darauf, was Ihr uns zu sagen habt.«
    Williams Blick schoss durch den Saal. Alle Augen schienen auf ihn gerichtet zu sein. Während die Gespräche zu einem leisen Murmeln verebbten, versuchte er sich krampfhaft zu erinnern, wann er zuletzt seinen Bart geschnitten und sein Hemd gewechselt hatte. Die Glocken von St. Mary le Bow hörten auf zu lärmen. Es wurde still. An einer Wand des Saales ragte eine Kanzel in den Raum. William hatte schon gehört, dass die Kaufleute ihre eigenen Gottesdienste abhielten. Erwarteten sie jetzt etwa eine Predigt von ihm? Monmouth besuchte regelmäßig die Andacht in St. Dunstan, aber er hatte nichts davon verlauten lassen, dass William vor den Kaufleuten predigen sollte. Er hatte lediglich gesagt: »Begleitet mich doch einmal zu einer Versammlung der Hanse.«
    William warf Monmouth einen unsicheren Blick zu, der ihn so fröhlich angrinste, als freue er sich, dass sein sonst so wortgewandter Schützling plötzlich sprachlos war. William schluckte heftig.
    »Leider … also ich … ich bin nicht vorbereitet, um …«
    Monmouth lachte.
    »Ich habe Euch nicht hierhergebracht, damit Ihr meinen Brüdern eine Predigt haltet, William, sondern damit Ihr ein paar gleichgesinnte Seelen kennenlernt. Wir beschäftigen uns schon seit geraumer Zeit mit derselben Sache wie Ihr. Wir sind zwar eine Kaufmannsgilde, aber wir sind auch als die Gemeinschaft der Christlichen Brüder bekannt und beabsichtigen, zusammen mit der Gilde der Merchant Adventurers im Ausland, England mit preiswerten gedruckten Ausgaben einer englischen Bibel zu versorgen. Mit Eurer Hilfe könnten wir England für Martin Luthers Reformen gewinnen«, er hielt inne und beschrieb augenzwinkernd eine Geste, die seine Kaufmannsbrüder mit einschloss, »nun, vielleicht werden wir damit sogar einen kleinen Gewinn erzielen.«
    Als der Jubel und der Beifall der Kaufleute verebbt waren, fuhr Monmouth fort: »Wir haben bereits einen Plan … und wenn Ihr Platz genommen und Euch ein wenig entspannt habt – Tafelmeister, bringt Master Tyndale einen Becher, er sieht so ausgedörrt aus, als könnte er allein ein ganzes Fass leer trinken –, werden wir Euch sagen, was Eure Aufgabe

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