Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
dass es nicht meine Schuld war, dass man die Druckerpresse Eures Bruders zerstört hat. Ich habe das nicht einmal geahnt. Ich habe meinem Vater lediglich gebeten, seine Freilassung zu erwirken. Er hat mir damals versprochen, es zu tun.«
»Er wurde freigelassen. Ich bin froh zu sagen, dass er jetzt in einer weniger feindseligen Umgebung lebt.«
Madeline musste die Spannung zwischen den beiden Frauen gespürt haben. Normalerweise plapperte sie selbst in Gegenwart von Fremden munter drauflos, jetzt aber klammerte sie sich sichtlich verängstigt an Kate.
»Ich wusste nicht, dass Ihr eine Tochter habt«, sagte Mistress Roper. »Das macht den Verlust Eures Mannes gewiss noch schwerer für Euch. Ich habe gehört, dass er seinem Tod mit großer Tapferkeit begegnet ist. Ich habe in den vergangenen Monaten oft für seine Seele gebetet. Ihr sollt wissen, dass es mir aufrichtig leidtut, welche Rolle meine Familie bei Eurem Unglück gespielt hat.«
Kate löste die Hände des Kindes von ihrem Rock, nahm es in die Arme und hob es hoch. Plötzlich fühlte sie sich wieder bedroht, und diesmal fürchtete sie nicht nur um sich selbst.
»Ich wollte Euch Hilfe anbieten«, fügte Mistress Roper hinzu, während sie einen bedeutungsvollen Blick auf die noch immer leeren Regale warf. »Ich bin gerade auf dem Weg zum Armenhaus. Mein Vater braucht nicht zu erfahren, dass sich seine Wohltätigkeit nun auch auf seine Feinde erstreckt. Ich kann …«
Kate konnte kaum glauben, was sie da hörte.
»Mistress Roper, an Eurem Verhalten und Euren Worten erkenne ich, dass Ihr … die … die Rolle, die Euer Vater bei der Verfolgung meiner Familie gespielt hat, tatsächlich bedauert. Aber Ihr müsst wissen, dass ich eher ein Almosen vom Teufel persönlich annehmen würde als von Thomas More. Meine Tochter und ich werden schon irgendwie zurechtkommen.«
Meine Tochter . Sie hatte damit Anspruch auf Madeline erhoben. Margaret Roper hatte es so formuliert, und Kate hatte den Anspruch geltend gemacht. Endor, die das Gespräch der beiden Frauen aufmerksam verfolgt hatte, sah Kate an und deutete mit einer Geste, die Kate schon einmal bei ihr gesehen hatte, mit zwei Fingern ihrer rechten Hand auf ihre eigenen großen Augen und dann auf Madeline. Blaue Augen.
Mein Kind wird blaue Augen haben.
Mein Kind hat blaue Augen.
Die Entscheidung war gefallen. Madeline war in der Tat ihre Tochter, und was auch immer geschehen mochte, sie würden zusammenbleiben.
»Gibt es noch etwas, Mistress Roper?«, fragte Kate.
Die Frau drehte sich noch einmal um, wobei ihre Hand, als Reaktion auf ihren Rauswurf, schon auf dem Riegel lag.
»Nur noch eines, Mistress Frith. Bitte betet für uns. Chelsea ist in letzter Zeit kein besonders fröhlicher Ort mehr.«
Kate war so verblüfft, dass es ihr fast die Sprache verschlug. »Ich werde für Euch beten, Mistress Roper. Aber ich bezweifle, dass ich für Euren Vater beten kann. Ich bin keine Heilige.«
Die Frau nickte und schloss die Tür hinter sich. Viele Monate später, als Kate auf der anderen Seite des Kanals erfuhr, dass der König Sir Thomas More hatte köpfen lassen, erinnerte sie sich an die Traurigkeit in Margaret Ropers Gesicht. Sie empfand weder Freude noch Genugtuung.
Kate hieß den Frühling nicht willkommen. In den kleinen Blumenkästen vor dem Geschäft hatten die ersten Narzissen kaum ihre Köpfe gereckt, als der Kapitän begann, vom Abreisen zu sprechen. Sein Schiff war jetzt fast wieder flott. Kate sah sich nunmehr gezwungen, ernsthaft darüber nachzudenken, wie sie ohne seine Unterstützung ihren Lebensunterhalt sichern sollte.
Endor verkaufte jeden Morgen ihre Honigkekse und ihre süßen Brötchen an die Arbeiter und Bootsführer, die auf dem Weg zu den Docks waren, tauschte bei der Frau des Müllers süße Backwaren gegen Mehl und beim Melker gegen Milch ein. Kate erledigte Schreibarbeiten für diejenigen, die des Lesens und Schreibens unkundig waren. Sie kopierte manchmal auch Liebesgedichte und Lieder, rollte die Blätter zu hübschen Schriftrollen auf und band sie mit Spitze und Bändern aus Winifreds Vorräten zusammen. Welcher Verehrer konnte schon widerstehen, aus dem Korb, mit dem Madeline fröhlich zwischen den Marktständen umherhüpfte, ein Liebesgedicht für seine Angebetete auszusuchen? Selbst Krause, die Katze, arbeitete fleißig mit. Endlich hatten sie keine Ratten mehr im Haus, die ihre Backwaren anknabberten. Sie würden also auch ohne den Kapitän ihr Auskommen haben.
Dennoch
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