Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
König kommt nach Framlingham.«
28
Framlingham, Februar 1213
Als sie in der Molkerei stand und die Reihen mit den Käselaibern in den Regalen anstarrte, erwog Mahelt ernsthaft, ihre Stute aus dem Stall zu holen und sich aus dem Staub zu machen. Nach Bungay, Thetford oder Ipswich. Oder zum Nonnenkloster bei Colne. Irgendwohin; Hauptsache, sie war nicht hier. Der König wurde in drei Tagen erwartet, er würde auf dem Rückweg von dem Feldzug, den er geführt hatte, um in einigen Grafschaften Unruhen niederzuschlagen, in Framlingham Rast machen. Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als den Mann beherbergen zu müssen, der ihrer Familie so viel Leid zugefügt und eine Unzahl grausamer Vergehen auf dem Gewissen hatte. Sie hatte schon beschlossen, dass sie unter irgendeinem Vorwand in ihrer Kammer bleiben und ihm aus dem Weg gehen würde, denn sie wusste nicht, wie sie es über sich bringen sollte, höflich zu ihm zu sein. Jedes Mal, wenn sie sich eine Begegnung mit John ausmalte, endete diese damit, dass sie ihm im Geist ins Gesicht spie, bevor sie ihm ein Messer ins Herz stieß und ihn mit Steinen an den Füßen im See versenkte. Auch ihre Söhne gedachte sie nach Möglichkeit von ihm fernzuhalten. Sie wollte nicht, dass er sie zu Gesicht bekam. Sie mussten bei der formellen Begrüßung im Burghof anwesend sein, aber danach würde er sie nicht mehr zu sehen bekommen.
Hugh und sein Vater waren mit den Jägern im Park, um
Wild auszuspähen und die Reitwege zu überprüfen, falls der König zu jagen wünschte. Weder Hugh noch sein Vater waren sonderlich erpicht darauf, ihn bewirten und unterhalten zu müssen, aber der Earl tat dies mit einem Achselzucken ab und meinte, diese Unannehmlichkeiten seien auch mit einigen Vorteilen verbunden. Mit einigen Männern des königlichen Gefolges konnte er über Geschäftsangelegenheiten sprechen, und es war seiner Meinung nach ein Zeichen von Johns Vertrauen und das Ansehen der Grafschaft, dass er sich zu diesem Besuch entschlossen hatte. Natürlich konnte man ihn auch als Hinweis darauf werten, dass der König ein Auge auf sie hatte und die Befestigungsanlagen der Burg persönlich in Augenschein nehmen wollte.
Ida tat ihr Bestes, um alles für den Besuch vorzubereiten, doch die Last der Verantwortung drohte sie zu erdrücken. Noch nie zuvor war ein König nach Framlingham gekommen. Einst wäre sie den Anforderungen durchaus gewachsen gewesen, aber nun hatten das Alter und ihre schwache Gesundheit ihren Tribut gefordert. Sie wusste nicht mehr genau, wo alles Notwendige zu finden war – sie kannte lediglich den genauen Platz jedes Wandbehangs, jedes Polsters und jedes bestickten Kissens. Und sie zerbrach sich den Kopf darüber, welche Vorhänge in der Gästekammer aufgehängt werden sollten, ob die roten Kissen den grünen vorzuziehen waren oder ob der König für sein Bett zwei oder drei Matratzen benötigte. Auch Mahelt war nervös. Zwar hasste sie John abgrundtief, aber sie wusste, dass sein Besuch ein wichtiges Ereignis war und sie einen guten Eindruck machen mussten. Aber Ida war ganz offensichtlich nicht sie selbst.
»Welchen Käse sollen wir nehmen?«, fragte Mahelt. »Den von ganz oben? Er lagert am längsten, also schmeckt er auch am würzigsten.«
Ida nickte.
»Aber die Laibe müssen auf Käfer hin überprüft werden … ich habe keine Ahnung, wie viel der König und sein Gefolge essen werden. Und was ist mit der Butter? Wenn nicht genug da ist…« Sie presste eine Hand gegen die Stirn, und Mahelt bemerkte, dass sie zitterte. In der Molkerei war es immer kalt. Im Winter hatten die Mägde ständig rote Nasen und blau angelaufene, aufgesprungene Hände, selbst wenn sie fingerlose Handschuhe trugen. Ida war besser gegen die Kälte geschützt als die Dienerinnen, denn sie trug ein pelzverbrämtes Gewand und eine Haube über ihrem Schleier, doch im fahlen Februarlicht sah sie spitz und verhärmt aus.
»Geh in deine Kammer, Mutter.« Mahelt berührte sie an der Schulter. »Ich kümmere mich um den Käse. Wir können jederzeit mehr aus Acle kommen lassen, und Butter auch, wenn es nötig sein sollte. Sie haben immer Überschuss, und die Zeit reicht aus.«
Ida schüttelte den Kopf.
»Ich kann dich doch nicht alles allein machen lassen. Die Weinvorräte müssen auch noch überprüft werden. Lass mich… lass mich den hintersten Käse dort einmal kosten.«
Mahelt wies einen Diener an, einen Stuhl zu bringen und den Laib herunterzuholen. Sie löste die
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