Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
begann sie statt von ihrem Sohn von einem intimen Moment zu sprechen, den sie in ihrer Fantasie mit ihrem Mann durchlebte – sie saß auf seinem Schoß und fütterte ihn mit gerösteten Brotstückchen. Mahelt konnte sich Ida und den Earl nicht in einer solchen Situation vorstellen, sie passte eher zu Hugh und ihr und hätte bei ihrem Schwiegervater ein Stirnrunzeln hervorgerufen. Ihre Augen begannen vor Kummer zu brennen.
Hugh steckte den Kopf zur Tür herein.
»Wie geht es ihr?«
Mahelt schüttelte den Kopf.
»Sie hat hohes Fieber und redet wirres Zeug. Der Arzt hat sie zur Ader gelassen und sagt, wir sollen ihre Lippen mit Honig und Wasser befeuchten und sie schlafen lassen. Pater Richard betet für sie und hat den heiligen Adelard um Beistand angefleht.«
Hugh trat an das Bett.
»Wir setzten es als viel zu selbstverständlich voraus, dass sie immer für uns da ist.« Er musterte seine Mutter besorgt, bückte sich und strich sacht die grauen Strähnen an Idas Schläfen zurück.
»Als ich klein war, war ihr Haar dunkel und glänzend und duftete nach Muskat«, sagte er. »Ich erinnere mich daran, dass
ich mit ihren Zöpfen gespielt habe, wenn ich auf ihren Knien saß.«
Ida drehte den Kopf zu ihm und leckte sich über ihre trockenen Lippen.
»Meine Liebe«, krächzte sie. »Meine einzige wahre Liebe …«
»Dein Vater sollte bei ihr sein«, sagte Mahelt erbost.
Hugh schien sich vor Unbehagen innerlich zu winden.
»Er ist mit so vielen wichtigen Dingen beschäftigt …«
»Er ist vor allem damit beschäftigt, ihr aus dem Weg zu gehen«, schnaubte Mahelt. »Er erwartet von uns, dass wir uns um den Haushalt kümmern, ihm alle Unannehmlichkeiten vom Leib halten und ihn nicht stören. Deine Mutter ist seine Frau und kein Möbelstück, das seiner Bequemlichkeit dient!«
Hugh starrte sie entsetzt an.
»Das denkt er auch nicht. Ganz sicher nicht!«
»Wo bleibt er dann? Ich habe ihn noch nicht an ihrem Bett gesehen, er hat höchstens im Vorübergehen einen flüchtigen Blick in die Kammer geworfen, und deine Mutter ist wirklich schwer krank.«
Hugh wirkte plötzlich still und betreten.
»Ist sie … wird sie …« Er sprach die unheilvollen Worte nicht aus, als könne er die furchtbare Möglichkeit so ausschließen.
»Ich weiß es nicht.« Mahelt kämpfte mit den Tränen. »Sie gleicht festem Segeltuch, das allen Widrigkeiten des Wetters trotzen kann, aber verrottet, wenn es weggepackt und vernachlässigt wird. Ich tue für sie, was ich kann. Sie ist wie eine zweite Mutter für mich.«
»Ich spreche mit meinem Vater.«
Sie fuhr erneut ärgerlich auf.
»Das sollte sich erübrigen. Er sollte aus eigenem Antrieb hierherkommen.«
»Vielleicht glaubt er sie in guten Händen und ahnt gar nicht, wie es tatsächlich um sie steht.«
»Genau das meine ich ja – er hat es gar nicht mitbekommen.« Mahelt war nicht nur wegen Ida empört, sie wurde auch von düsteren Gedanken bezüglich ihrer und Hughs Zukunft geplagt. Ne vus sanz mei, ne mei sanz vus. Was, wenn diese Worte nicht der Wahrheit entsprachen?
»Da bin ich mir nicht so sicher. Er hat nur eine andere Art, mit einer solchen Krise umzugehen.« Er ließ sich auf der Truhe neben dem Bett nieder. »Ich werde eine Weile bei ihr sitzen bleiben. Du hast doch sicher noch anderes zu tun.«
Mahelt zögerte, aber es gab in der Tat noch viel für die Ankunft des Königs vorzubereiten – es galt ja, nicht nur ihn, sondern sein gesamtes Gefolge unterzubringen, und für jeden musste ein seinem Rang entsprechender Schlafplatz bereitgestellt werden. Sie stand auf und deutete auf die Schale und den Löffel neben dem Bett.
»Reibe ihre Lippen vorsichtig mit Honig und Wasser ein, und ruf die Zofen, wenn du dir nicht zu helfen weißt.«
Ein gequälter Ausdruck trat in Hughs Augen.
»Keine Angst, das schaffe ich schon.«
Mahelt küsste ihn auf die Stirn und ging hinaus. Zuallererst würde sie ein ernstes Wort mit ihrem Schwiegervater sprechen, egal, wie er mit solchen Situationen umzugehen pflegte. Sie fand ihn in seiner Kammer, wo er mit seinem Burgvogt über Maßnahmen zur Verteidigung von Framlingham sprach. Als er sie sah, unterbrach er das Gespräch, und auf seinem Gesicht zeichnete sich ungeduldige Überraschung ab.
»Eure Frau hat nach Euch gefragt, Mylord.« Mahelt knickste und bemühte sich, bescheiden aufzutreten, obwohl sie am liebsten mit dem Fuß aufgestampft hätte.
Der Earl winkte mit einer knappen Geste ab.
»Ich habe im Moment
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