Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
bewirtet und unterhält die Gäste? Wer bringt ihre Kinder zur Welt? Wir werden nur dann wie ein selbstverständliches Möbelstück betrachtet, wenn wir es zulassen.«
Ida seufzte und hob den kleinen Roger, der sein Spiel für einen Moment unterbrach, auf ihre Knie.
»So habe ich früher auch einmal gedacht. Ich pflegte mir an allem selbst die Schuld zu geben, dachte, ich würde meinen Pflichten als Ehefrau nicht gerecht werden. Manchmal denke ich das heute noch, weil ich weiß, dass ich den Anforderungen meines Mannes nicht entspreche.«
Mahelt fuhr empört auf.
»So, wie ich das sehe, kann der Earl nun wirklich nicht…«
»Beruhige dich.« Ida hob warnend eine Hand. »Ich dulde nicht, dass du schlecht von ihm sprichst. Du bist jung und ungestüm und urteilst vorschnell.« Sie presste störrisch die Lippen zusammen. »Der Earl ist, wie er ist. Wir sind beide das Produkt unserer Zeit und unseres Lebens. Selbst wenn ich ihm Schuld zuweisen würde, was würde es ändern? Manchmal haben wir einfach keine Wahl. Ein Fels kann nur so lange bestehen,
bis die See ihn zu Sand zermahlt, und die Bedürfnisse eines Königs und eines Landes werden immer Vorrang vor den Bedürfnissen einer Frau haben.« Sie drückte ihren Enkel an sich und küsste ihn auf die Wange. »Das ist der Lauf der Welt.« Sie hielt inne und holte tief Atem. »Am Ende verlässt doch jeder den anderen, nicht wahr? Am Ende schlafen wir alle allein.«
Mahelt wandte den Blick ab und verbiss sich eine spitze Erwiderung. Ela fragte besorgt:
»Möchtest du noch etwas Wein, Mutter?«
Ida schüttelte lächelnd den Kopf.
»Aus dem, was ich mich gerade selbst habe sagen hören und aus eurem Gesichtsausdruck schließe ich, dass ich schon mehr getrunken habe, als ich sollte.«
Roger glitt von Idas Knie und stürmte zu den Männern hinüber. Dort presste er sich gegen Hughs Bein, und sein Vater zauste ihm geistesabwesend das Haar und legte beschützend einen Arm um seine schmalen Schultern. Dann blickte er zu den Frauen hinüber, lächelte Mahelt an und zwinkerte ihr verstohlen zu. Mahelt hob provozierend die Brauen und griff nach dem Krug, der auf der Kaminplatte warm gehalten wurde.
»Aber Ela und ich vielleicht noch nicht.«
Der bedrückte Moment verstrich, und Idas Stimmung hob sich, doch das, was sie gesagt hatte, ließ Mahelt nicht los. In dieser Nacht lag sie mit Hugh im Bett, umgeben von den schweren Vorhängen, und liebte ihn voller Leidenschaft, während der Winterwind an den Läden rüttelte. Danach hielt sie ihn fest an sich gedrückt, ein unstillbares Verlangen nach Innigkeit verspürend. Ihr Brustkorb hob und senkte sich so rasch, als wäre sie meilenweit gelaufen. Hugh strich sanft das Haar aus ihrer Stirn, rollte sich mit ihr in den Armen auf die Seite und schmiegte sich warm und schützend an sie.
»Deine Mutter hat Unrecht«, murmelte Mahelt, als sich ihre Atemzüge beruhigten und zu einem gleichmäßigen Rhythmus fanden.
»Hmm?«, brummte er schläfrig an ihrem Ohr.
Sie gab keine Antwort, griff aber nach seiner Hand und zog seinen Arm an ihre Seite, als hielte sie einen Schild fest.
Als Mahelt am Morgen erwachte, war Hugh nicht da, aber er hatte ein zusammengerolltes, mit einem roten Seidenhaarband zusammengebundenes kleines Pergamentstück auf dem Kissen zurückgelassen. Darauf standen in eleganter Handschrift zwei Gedichtzeilen:
Bele amie, si est de nus
Ne vus sanz mei, ne mei sanz vus.
Mahelt las die Worte mit einem zärtlichen Lächeln:
»Süße Geliebte, so ist es mit uns. Nicht du ohne mich, nicht ich ohne dich.« Sie kämmte ihr dichtes, dunkles Haar, flocht es, band das Zopfende mit dem roten Band zusammen und bedeckte ihr Werk sittsam mit ihrem Schleier, damit niemand etwas bemerkte.
Auch in der Halle konnte sie Hugh nicht entdecken, aber sie hörte Männerstimmen und folgte ihnen ins Freie. Ihr Mann, ihre Brüder und Longespee standen mit einer Schar Ritter, Soldaten und kleiner Jungen um Longespees neue Steinschleuder herum. Das Gerät war offenbar gerade erst eingetroffen, das verrieten ihr der daneben stehende Fuhrmann und der Zimmermann, der letzte Hand anlegte. Der Tag war bitterkalt, was jedoch außer ihr niemanden zu stören schien. Longespee wollte ein Ziel aufstellen und damit die Reichweite und Treffsicherheit seines neuen Spielzeugs erproben. Ralph rannte los,
um sich darum zu kümmern, und schlug übermütig ein Rad, was alle zum Lachen brachte.
Der kleine Roger saß auf Hughs Schultern und klatschte vor
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