Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
ihre Kammer auf der anderen Seite des Burghofs zurückzuziehen. Als sie die Außentreppe hinunterstieg, schlang sie ihren pelzgesäumten Mantel enger um sich und erschauerte. Dichte Wolken zogen über den Himmel hinweg, und sie spürte, wie ihr Graupel kalt ins Gesicht schlug.
»Ah, Lady Bigod, das trifft sich gut.«
Sie schrak heftig zusammen und unterdrückte einen Aufschrei, als John leise aus der Richtung der Latrine in der Dunkelheit auftauchte.
»Sire.« Sie knickste und richtete sich auf, wobei sie dachte, dass dies alles andere als ein glückliches Zusammentreffen war. Von der Halle her hörte sie schallendes Gelächter und das Dröhnen von Bechern, die auf die Tische geschmettert wurden. Sie betete, dass irgendjemand kommen möge, um die Latrine aufzusuchen.
»Wie geht es der Countess?«
»Etwas besser, Sire. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigt …«
John neigte den Kopf zur Seite.
»Nein, Lady Bigod, das tue ich nicht. Jedes Mal, wenn ich versuche, mit Euch zu sprechen, findet Ihr einen Vorwand, um Euch zu entziehen, und Ihr interessiert mich weit mehr als ein Mann, der ›Sing, mein Kuckuck‹ furzt.«
»Sire, es ist kalt…«
»Sicher, aber wir haben warme Umhänge, und es gibt andere Mittel und Wege, um Hitze zu erzeugen.«
Sie erstarrte vor Schreck und spürte, wie ihre mühsam errichtete Fassade zu bröckeln begann.
»Sire, dann lasst uns reden, aber kommt mit in die Halle.«
»Ich würde mich mit William Marshals Tochter lieber allein unterhalten.« John dämpfte seine Stimme und strich über den Rand ihres Umhangs. »Ungestört.«
»Sire, was Ihr verlangt, ist unschicklich.«
John kicherte leise.
»Unschicklich?«, äffte er sie nach. »Kommt schon, Ihr seid kein schüchternes Pflänzchen und keine unschuldige Jungfrau mehr, nicht wahr, mein Mädchen? Und nach allem, was ich gehört habe, legt Ihr durchaus nicht immer Wert auf Schicklichkeit.«
Mahelt war nicht sicher, ob es an der herablassenden Art, mit der er sie »mein Mädchen« genannt hatte, oder an der Erkenntnis lag, dass er offensichtlich Spione im Haushalt der
Bigods und vermutlich auch in dem ihres Vaters hatte, aber plötzlich glühte sie vor Zorn.
»Ich bin meinem Mann eine treue und tugendhafte Frau«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Und die Leute werden sich fragen, wo Ihr steckt. Wenn in diesen unsicheren Zeiten ein König vermisst wird, ist das immer ein Grund zur Sorge.«
»Sicher wird man irgendwann nach mir suchen, aber uns bleibt noch genug Zeit, und in einem so loyalen Haus wie diesem habe ich sicher nichts zu fürchten. Lasst uns ein wenig über Treue und Tugenden sprechen, ja?« Mit einer raschen Bewegung stieß er sie plötzlich rücklings gegen die Mauer und presste sich gegen sie. »Was würdet Ihr tun, um Euren Mann und Eure Söhne in Sicherheit zu wissen, Mylady? Welchen Preis würdet Ihr zahlen? Wie hoch schätzt Ihr den Wert Eurer Ehre ein?«
Mahelt setzte sich erbittert zur Wehr.
»So hoch, dass Ihr es Euch nicht leisten könnt, sie zu besudeln!« , fauchte sie. Johns Gesicht war jetzt nah an ihrem. Sie konnte riechen, dass er Wein getrunken hatte, und spürte, wie sein Atem erst in ihren Mund und dann in ihre Lungen drang, ohne dass sie es verhindern konnte.
»Tatsächlich?«
»Ihr braucht meinen Vater. Ihr braucht Norfolk!«
»Glaubt Ihr, sie würden wegen des Wortes eines jungen Dinges zu Verrätern werden?«, zischte John. »Eines dummen, verwöhnten Mädchens? Was glaubt Ihr denn, was geschehen wird? Welchen Wert Ihr Euch beimesst und welchen Ihr tatsächlich habt, sind zwei verschiedene Dinge!«
Mahelt rang empört nach Luft. In einem Punkt musste sie ihm widerwillig Recht geben. Sie war in der Tat weder ein schüchternes Pflänzchen noch eine unschuldige Jungfrau mehr. Da sie mit Brüdern aufgewachsen war und ihr Hughs unterschwellige
Furcht nicht entgangen war, wenn sie ihn in der Schlafkammer spielerisch aufreizte, wusste sie, wo die empfindlichste Stelle eines Mannes zu suchen war. Sie gab ihren Widerstand auf, damit John dachte, sie hätte sich in ihr Schicksal ergeben, dann schoss ihre Hand vor, schob sich zwischen seine Beine und drückte mit solcher Kraft zu, als wringe sie ein nasses Tuch aus.
Johns Reaktion erfolgte sofort und war äußerst befriedigend. Er krümmte sich vor Schmerz, stöhnte erstickt auf und lockerte seinen Griff. Mahelt stieß ihn von sich und ergriff die Flucht. In ihre Kammer wollte sie nicht mehr, sie war ihr Zufluchtsort, und dort befanden sich
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