Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
ihr aufhalf,
wappnete sie sich für den Druck seiner Lippen auf ihrer Haut. So nah wie jetzt hatte sie ihm nie kommen wollen, und sie rechnete fast damit, jeden Moment seine Zunge zu spüren, was ihr aber zum Glück erspart blieb. Als könne er ihre Gedanken lesen, blitzte es spöttisch in seinen Augen auf. Mahelt war jedoch entschlossen, ihn keinesfalls so nah an ihr heiliges Inneres herankommen zu lassen. Ihre Miene versteinerte sich, und ihr Lächeln wirkte wie festgefroren.
»Ihr schickt mir also diese junge Schönheit zur Begrüßung?«, wandte sich John mit hochgezogenen Brauen an Roger.
»Meine Frau fühlt sich nicht wohl, Sire«, erwiderte der Earl. »Aber meine Schwiegertochter hat alles vorbereitet und wird Euch Euren Aufenthalt in Framlingham so angenehm wie möglich gestalten.«
»Es tut mir leid, dass die Countess verhindert ist«, antwortete John. »Ich habe ihre Gesellschaft stets sehr genossen.« Seine Stimme klang so glatt, dass man die Bemerkung sowohl als höfliche Floskel als auch als Beleidigung werten konnte. »Ich hoffe, es geht ihr nicht allzu schlecht?«
»Sie muss das Bett hüten, ist aber auf dem Weg der Besserung, Sire.«
»Dann werde ich sie in meine Gebete einschließen und hoffen, dass sie bald wieder gesund wird.«
Longespee, der zu dem königlichen Gefolge zählte, küsste Mahelt. Während sie zu den Unterkünften gingen, fragte er besorgt:
»Was fehlt meiner Mutter denn?«
»Sie litt unter Übelkeit und hatte hohes Fieber, aber es geht ihr jetzt schon besser. Sie wird dich sehen wollen.«
Mahelt geleitete John zu der für ihn hergerichteten Gästekammer und zeigte seinen Leibdienern, wo sie sein Gepäck verstauen konnten. Obwohl sie wusste, dass die Dienstboten
ihre Arbeit gründlich verrichtet hatten, überprüfte sie ein letztes Mal, ob es irgendetwas auszusetzen gab. In den Leuchtern steckten süß duftende Bienenwachskerzen, frische lagen in dem Wandschrank bereit, und in den Hängelampen brannte reines Olivenöl. Über die Rückenlehne der Sitzbank hatte sie Idas kostbarsten Läufer gelegt, und weiche Vliese von ihren eigenen Schafen bedeckten ein paar Stühle und lagen zu beiden Seiten des Bettes. Auf einem Tisch am Fenster stand ein Schachbrett mit Figuren, daneben eine Harfe, eine Laute und ein Psalterium für den Fall, dass der König zu musizieren wünschte. Und auch einige Bücher.
John griff nach einem Buch, löste den Verschluss und blätterte die Seiten um.
»Ars tactica «, stellte er fest. »Zu schade, dass Euer Vater nicht liest. Dieses Buch würde ihm gefallen, und er würde viel daraus lernen.«
Mahelt grub die Nägel in ihre Handflächen, lächelte süß und sann über Fluchtmöglichkeiten nach.
»Möchtet Ihr Euch eine Weile ausruhen, Sire?«
John blickte zu dem Bett hinüber.
»Das käme auf die Gesellschaft an.« Er musterte sie aufdringlich von Kopf bis Fuß, dass es ihr so vorkam, als seien seine Augen gierige Finger. Mahelt schluckte ihren Abscheu hinunter. Zum Glück war sie nicht mit ihm allein. Neben den Dienern, die Gepäckstücke in die Kammer trugen, hielten sich auch Angehörige des Haushalts in der Kammer auf. Ein Söldner zwinkerte ihr anzüglich zu. Hugh sprach an der Tür mit einem von Johns Kammerherren. Sie konnte seine Stimme hören und den Ärmel seiner Tunika sehen.
»Wenn Ihr mich jetzt entschuldigt … ich habe noch viel zu tun.«
»Oh, geht noch nicht«, beharrte John mit einem Glitzern in
den Augen. »Ich habe noch nie zuvor mit William Marshals Tochter gesprochen. Mit seinen Söhnen schon oft, aber nicht mit seinem ältesten Mädchen. Bleibt und unterhaltet mich eine Weile …« Er fuhr sich mit der Zunge über die Innenseite seiner Wange. »Ihr habt die Augen Eures Vaters, ähnelt sonst aber Eurer Mutter – wusstet Ihr das? Eine sehr schöne Frau, Eure Mutter.«
»Sire, bei allem Respekt, aber da die Countess krank ist, habe ich viele zusätzliche Pflichten. Ich bitte um Nachsicht.« Die Worte flossen ihr monoton über die Lippen, obwohl sie sie in der Kehle würgten. Wie brachte ihr Vater es nur fertig, zu diesem Mann höflich zu sein? Sie hätte am liebsten nach der Weinkaraffe auf dem Tisch gegriffen und sie über seinem Kopf ausgeleert.
John maß sie mit einem verschlagenen Blick.
»Nachsicht …«, sinnierte er, sich über den von silbernen Fäden durchzogenen Bart streichend. »Also gut, ich gewähre sie Euch. Ich mag gefällige Frauen, und sie sind stets nur allzu gern bereit, mir gefällig zu sein,
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