Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
kein Licht mehr sah.« Er hob ihre Hand, strich mit dem Daumen über den Ehering und küsste das Gold, zog den Moment in die Länge, indem er um sie warb wie bei einem Minnespiel. »Ich komme wie neu geboren zu Euch, meine Frau und Geliebte, um erneut Eure Gunst zu erflehen.«
Ela sah ihn benommen an. Ein verlorener Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Er bemerkte, wie sich ihr schlanker Hals bewegte, als sie schluckte, und bekam es mit der Angst zu tun.
»Was ist denn, Liebste? Habe ich mich so verändert? Missfällt dir etwas an mir?« Seine Furcht wuchs, als sie ihre Hand vor das Gesicht schlug und zu schluchzen begann.
»Das ist es nicht«, flüsterte sie. »Es ist… ich bin deiner nicht mehr würdig und werde es auch nie wieder sein.«
Übelkeit stieg in Longespee hoch.
»Was ist los?« Er packte sie am Arm und schüttelte sie. »Hast du mich hintergangen? Warst du mir untreu?« Er hätte sich nie träumen lassen, dass seine Ela einen anderen Mann ansehen könnte, aber er war lange fort gewesen, und er konnte sich ihre Reaktion nicht anders erklären.
»Nicht aus freien Stücken«, schluchzte Ela. »Bei meiner Ehre, nicht aus freien Stücken, aber jemand ist es nicht wert, von dir Bruder genannt zu werden.«
Longespee schwankte. Seine Gedanken überschlugen sich.
»Was hat dieser Bigod-Bauerntrampel dir angetan?«, fauchte er. Seine Hand schloss sich um den Griff seines Schwertes. »Ich will alles wissen!«
»Bigod?« Ihre tränenfeuchten Augen füllten sich mit Entsetzen. »Du meinst Hugh? Oh nein, er doch nicht! Er und Mahelt haben mich gerettet und beschützt. Richte dein Augenmerk auf deinen Bruder, den König …« Sie nahm all ihren Mut zusammen, holte tief Atem und erzählte ihm alles.
Zutiefst schockiert sank Longespee auf eine Bank.
»Du willst damit sagen, dass John durch seine Lüsternheit Schande über uns beide gebracht hat? Dass er dich berührt und sich im letzten Moment beherrscht hat?«
Ela nickte.
»Ich fürchte, so war es.« Sie rang die Hände. »Ich würde
dich nie belügen. Er … er sagte, während deiner Abwesenheit wäre ich sein Eigentum.«
Longespee ballte die Fäuste. Seine Augen hatten sich vor Zorn verdunkelt.
»Dann kann er nicht länger mein Bruder sein. Er hat das Band zwischen uns durchtrennt.«
Sie sah ihn ängstlich an.
»Was willst du tun?«
»Erst einmal gar nichts. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.« Nachdem der erste Schock abgeebbt war, vermochte er wieder klarer zu denken. Schuldgefühle keimten in ihm auf, weil er Hugh für den Täter gehalten hatte, gepaart mit Demütigung und Verdruss, weil Hugh Ela an seiner Stelle beschützt hatte. Und Ralph, sein Bigod-Bruder, hatte an seiner Seite gekämpft und schmachtete noch immer in einem Pariser Gefängnis. Dann dachte er an John, seinen königlichen Verwandten, mit dem er durch dick und dünn gegangen war – und das war nun der Lohn dafür. Dennoch wusste er, dass er mit äußerster Vorsicht vorgehen musste. Er war eine von Johns größten Stützen, aber sein Vermögen reichte nicht aus, um eigene Wege zu gehen. Er war lediglich der Herr über vierundsechzig Ritterlehen, der Rest seines Reichtums stammte aus den königlichen Truhen. Vorerst musste er alles so belassen, wie es war, aber er würde Pläne schmieden, und wenn seine Zeit gekommen war, würde er handeln.
Er drehte sich zu Ela um, kniete vor ihr nieder wie ein Baron, der seinem Lehnsherrn seine Reverenz erweist, und schob die Hände zwischen ihre schlanken weißen Finger. »Hiermit schwöre ich dir, meiner Frau, den Treueeid. Meine Loyalität gilt nicht mehr an erster Stelle meinem Bruder. Diese Krone trägst jetzt du. Was auch immer ich tue, tue ich allein für dich und für deine Ehre.«
Ela zögerte, dann beugte sie sich über ihn. Wieder trafen sich ihre Lippen, und diesmal besiegelten sie einen Pakt, der ihrer Beziehung einen neuen Kurs gab. Er erhob sich und nahm sie bei der Hand. »Lass uns zur Messe in die Kathedrale gehen und uns von diesen unheiligen Vorkommnissen reinigen«, sagte er. »Und danach wollen wir nie wieder darüber sprechen.«
38
Framlingham, November 1215
Hugh blickte auf, als eine der Hebammen aus der Schlafkammer kam. Einen Moment später hörte er aus einem Gewirr von Frauenstimmen das unsichere Quäken eines Neugeborenen heraus. »Eure Frau hat eine Tochter zur Welt gebracht«, verkündete die Frau lächelnd. »Das Baby ist gesund und munter.«
Hugh sprang auf.
»Und meine Frau?«
Ehe die Hebamme antworten
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