Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
ihr jegliche Macht absprach, und die einzige Drohung, zu der sie greifen konnte, basierte auf der Macht eines anderen Mannes. Was sie ihm auch entgegenschleudern mochte, sie würde einer fauchenden, von Hunden in die Enge getriebenen Katze gleichen.
»Ich mag durch meine Heirat eine Bigod geworden sein«, versetzte sie kalt, als sie zur Tür ging, »aber ich bin eine geborene Marshal, und das werdet ihr alle noch zu spüren bekommen.«
Sowie Mahelt den Raum verlassen hatte, sah de Melun Lenveise an. In gegenseitigem Einverständnis erwähnte keiner der beiden Männer ihren Namen. Es war, als habe man zum Schutz vor einem kalten Luftzug ein Fenster geschlossen und könne nun in einer behaglichen Kammer zur Sache kommen.
»Ihr macht es uns allen leichter, wenn Ihr uns die Burg übergebt«, beharrte de Melun.
Lenveise schüttelte den Kopf.
»Das kann ich ohne die Erlaubnis meines Herrn nicht tun.«
»Wenn Ihr Euch nicht ergebt, weckt Ihr die grausame Seite des Königs. Ihr habt ja gesehen, wozu er fähig ist. Er würde die Verwüstung der Ländereien anordnen und die gesamte Garnison hängen lassen. Und Männer wie Euch würde man wahrscheinlich in Ketten legen und von den Familien ein Lösegeld verlangen, das sie zu Bettlern macht.« De Melun beugte sich vor, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Ihr wisst, dass die Burg fallen wird. Rochester galt auch als uneinnehmbar – was sich als Irrtum erwiesen hat. Und die Franzosen werden Euch nicht zu Hilfe kommen.«
Lenveise durchbohrte ihn mit einem harten Blick.
»Wir können Euch dank unserer Bogenschützen so lange von unseren Mauern fernhalten, wie Ihr den Mut habt, dem Tod ins Auge zu blicken.«
»Ich weiß Euren Kampfgeist zu schätzen.« De Melun nickte anerkennend. »Natürlich müsst Ihr so sprechen. Aber möchtet Ihr, dass Euer Land beschlagnahmt oder verwüstet und Eure Scheunen niedergebrannt werden? Der König kann seine Söldner ausschicken, um alles hier dem Erdboden gleichzumachen, während Ihr in der Burg festsitzt. Das solltet Ihr auch bedenken.«
»Und wenn ich mich ergebe, woher soll ich wissen, dass uns diese Vergeltungsmaßnahme erspart bleibt?«
»Ihr habt das Wort des Königs.«
Lenveise hob verächtlich die Brauen.
»Dann riskiere ich lieber mein Leben und das eines jeden in meiner Obhut.«
»Ihr bekommt es schriftlich zugesichert.« De Melun winkte ab. »Euren Rittern werden Geiseln als Unterpfand für ihr Ehrenwort abverlangt werden, und im Gegenzug schließt der König Frieden mit ihnen, und sie bleiben im Besitz ihrer Landgüter. Weigert Ihr Euch … nun, ich habe Euch ja die Alternative beschrieben.«
Lenveise nagte an seinem Daumennagel.
»Was ist mit der Countess und Lady Bigod?«, fragte er nach einem Moment.
»Darüber kann man verhandeln. Der König hegt keinen Groll gegen die Countess, und die andere Lady ist die Tochter seines Hofmarschalls, einer der Hauptstützen des Königs. Ich bin sicher, dass wir in diesem Punkt zu einer Übereinkunft gelangen.«
Lenveise trank seinen Wein aus und betrachtete die in einem Luftzug zitternden Federn am Hut seines Herrn.
»Ich brauche einen Tag Bedenkzeit …«
Auch de Melun leerte seinen Becher und wandte sich zum Gehen. »Ich werde dem König Eure Antwort überbringen. Begeht keinen Fehler – er wird diesen Kampf gewinnen, und die, die sich seinem Willen nicht beugen, werden vernichtet werden.«
Nachdem de Melun gegangen war, rieb sich Lenveise mit den Händen über das Gesicht, dann straffte er die Schultern und schickte seinen ältesten Knappen los, um seine Ritter in den Wachraum zu bestellen. Als er Mahelt mit den zielstrebigen Schritten eines Mannes auf sich zukommen sah, biss er sich auf die Lippe. Die Countess kannte ihren Platz, aber die
junge Mistress war herrisch, ihr ging jeglicher Sinn für die natürliche Ordnung ab.
»Mylady.« Er neigte kaum merklich den Kopf.
Sie hielt es nicht für nötig, ihn mit derselben Höflichkeit zu würdigen.
»Was habt Ihr zu ihm gesagt?«
»Dass wir Bedenkzeit brauchen«, erwiderte er hölzern.
»Da gibt es nichts zu bedenken«, fuhr sie entrüstet auf.
»Ganz im Gegenteil, wir müssen sogar sehr vieles in Erwägung ziehen, nicht zuletzt das Leben aller Bewohner dieser Burg.«
»Deshalb werdet Ihr die Tore geschlossen halten. Und Ihr müsst Lord Hugh und den Earl of Norfolk benachrichtigen.«
Lenveise rang um Geduld.
»Sie verfügen nicht über die Macht, die Belagerer zu vertreiben, Mylady. Wenn sie versuchen,
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