Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
wusste, dass es so kommen würde.«
Ida presste die Hand gegen den Hals.
»Was sollen wir jetzt tun?«
»Auf keinen Fall die Tore öffnen!«, fauchte Mahelt, ehe sie aus der Kammer stürmte und auf die Burgmauer hinaufstieg. Ein schneidender Märzwind pfiff um die Zinnen und schnitt wie eisiger Stahl durch ihr Gewand und ihr Hemd. Es hatte sich bereits eine Menge Schaulustiger eingefunden, um die sich nähernden Truppen zu beobachten. Mahelt starrte die an Speeren und Stäben flatternden Banner an, von denen sich besonders auffällig die goldenen Leoparden Englands abhoben. Auch auf den Schilden der Söldner prangte dieses Wappen – Reihe um Reihe rückten sie unter dem Befehl ihres Kommandanten Savaric de Melun unaufhaltsam näher.
William Lenveise erschien in voller Rüstung auf der Brustwehr. Da er die Stufen hinaufgeeilt war, war er noch völlig
außer Atem, als er eine Hand an den Griff seines Schwerts legte und mit verbissener Miene auf das wogende Feindesmeer hinabblickte. Einige der Fußsoldaten schlugen mit ihren Speeren gegen ihre Schilde, andere stimmten beim Marschieren einen monotonen Gesang an. Hinter ihnen zogen stämmige Pferde mit Belagerungsgeräten beladene Karren, und dahinter deuteten Rauchwolken darauf hin, dass Heumieten und Bauernhöfe in Brand gesteckt worden waren.
»Lass mich sehen, lass mich sehen!« Roger hüpfte auf und ab. Einer der Ritter hob ihn hoch, damit er über die Brustwehr spähen konnte, woraufhin seine Augen groß und rund wurden. Ida gesellte sich schwer atmend zu Mahelt, schlug die Hände vor den Mund und unterdrückte einen leisen Aufschrei, als ihr Blick auf die herankommende Armee fiel. Mahelt schloss die Augen. Hugh, was hast du uns angetan? Warum hast du nicht auf mich hören wollen?
Als Johns Armee ihr Lager aufzuschlagen begann, lösten sich zwei Männer aus dem Getümmel und ritten auf das Torhaus zu. Einer trabte voran und hielt ein Friedensbanner in die Höhe, der andere ritt ein Stück hinter ihm. Mahelt erkannte in ihm Savaric de Melun. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Der Herold befahl den Bewohnern der Burg im Namen seines Herrn laut und vernehmlich, sich zu ergeben, um Blutvergießen zu vermeiden und Leben zu retten.
»Lehnt ab«, knirschte Mahelt mit zusammengebissenen Zähnen. »Sagt John, er soll sich zum Teufel scheren, wo er hingehört!«
Lenveise funkelte sie finster an. »Wir sollten uns wenigstens anhören, was sie zu sagen haben, Mylady.«
»Wozu?« Sie verzog die Lippen. »Es sind doch ohnehin alles Lügen. Ich werde ihnen nicht einen Fuß breit Land überlassen – es sei denn, um darauf ihre Gräber zu schaufeln.«
Lenveise schüttelte den Kopf.
»Bei allem Respekt, Mylady, aber in Abwesenheit von Earl Roger und Lord Hugh habe ich hier die Befehlsgewalt, und ich werde tun, was ich für richtig halte, um diese Burg zu verteidigen.«
Mahelt starrte ihn an, und sein Blick durchdrang sie, als sei sie nicht mehr als ein Schatten.
»Mylady, wir sollten hören, was sie sagen wollen, auch wenn wir nicht darauf eingehen.« Er vollführte eine knappe Geste. »Außer meinen Männern muss jeder die Mauer verlassen. Ich kann keine Frauen und Kinder auf den Kampfplattformen gebrauchen.«
Mahelt wusste, dass sie nicht gegen ihn ankam – er würde tun, was er wollte, egal was sie sagte. Wortlos wandte sie sich ab und verließ hoch erhobenen Hauptes die Brustwehr.
Das Seitentor wurde geöffnet, um de Melun einzulassen. Zwei ältere Garnisonsritter verließen als Garanten für seine Sicherheit die Burg. Als de Melun in Begleitung von Lenveise die große Halle betrat, hatte Mahelt ihre Arme schützend um ihre Söhne geschlungen, und Ida hielt sich zitternd, aber entschlossen an ihrer Seite. Roger zupfte am Gewand seiner Mutter.
»Schau, Mama, schau dir nur sein Schwert an!« Er deutete auf de Meluns reich verzierte Schwertscheide.
Mahelt drückte seine Schulter.
»Nicht das Schwert macht den Mann aus, vergiss das nicht«, sagte sie laut genug, dass man es hörte. De Melun drehte sich in ihre Richtung und bedachte sie mit einem Blick, der belustigt, berechnend und anzüglich zugleich war. Mahelt starrte ihn eisig an. Als sie sah, wie sein Blick durch die Halle wanderte und er im Geist eine Bestandsaufnahme all ihrer Habseligkeiten machte, hätte sie ihm am liebsten die Augen ausgekratzt.
Auf einen Wink Lenveises schenkte ein Knappe de Melun Wein ein, doch dieser zögerte, ihn zu kosten.
»Ich möchte Euch nicht beleidigen,
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