Die englische Rose
nickte er unverbindlich. „Haben Sie eine Ahnung, wohin die beiden geritten sind?"
„Oh, ich glaube, nicht so weit weg." Allmählich verlor sie das Interesse. Anscheinend wollte sie weiterdrehen. „Francesca sagte, dass sie sich nicht zu weit vom Haus entfernen soll. Sie hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen." Ngaire blickte sich um und machte dann eine unbestimmte Geste. „Sie hat auf der seitlichen Veranda gesessen und Skizzen gemacht, wenn ich mich richtig entsinne. Vielleicht liegt der Zettel da."
Grant fand allerdings keinen Zettel. Auf dem runden Tisch lagen lediglich Francescas Zeichensachen. Es war absurd, auf Richards eifersüchtig zu sein, denn Francesca war keine Femme fatale. Sie war sehr ehrlich. Sie machte einen Ausritt und würde bald wieder zurück sein. Er setzte sich an den Tisch, nahm den obersten Skizzenblock vom Stapel und schlug ihn auf.
Sein Blick fiel auf eine Zeichnung von ihm. Grant betrachtete sie eine ganze Weile und dachte dabei, dass Francesca ihn attraktiver gemacht hatte, als er es war. Seine Haltung ließ ihn vielleicht ein wenig arrogant erscheinen. Aber er war sehr gut getroffen.
Er blätterte weiter und staunte über die Zeichnungen. Immer wieder hatte sie ihn skizziert. Und Mitglieder ihrer Familie.
Einige Blöcke enthielten Skizzen von Tieren - Pferde, Rinder, Kängurus, Emus, Brolgas, Schwäne, Adler. Francesca verstand es hervorragend, Tiere in Bewegung einzufangen. Andere Blöcke enthielten Landschaftszeichnungen und Darstellungen wilder Blumen.
Außerdem gab es welche mit Anatomiestudien. Offenbar hatte Francesca zahlreiche Kurse besucht. Er hatte gar nicht gewusst, dass sie künstlerisch so begabt war, und fragte sich, ob sie auch andere Techniken wie Aquarell, Kreide oder Öl anwandte. Er wollte es gern sehen.
Der letzte Skizzenblock enthielt Francescas Vorstellungen von seinem Traumhaus.
Die erste Zeichnung zeigte es von vorn. Sie war so realistisch, dass er, Grant, das Gefühl hatte, die Hand ausstrecken und die Haustür öffnen zu können.
Er war begeistert. Die Fassade war sehr modern, mit großen Glasflächen. Es gab eine umlaufende Veranda, die statt massiver Holzpfeiler schmale Stahlträger hatte. Ein Zugeständnis an die traditionelle Bauweise war der hohe Eingang. Was ihn jedoch am meisten überraschte, war der hohe, offene Glockenturm hinter dem Haus nach spanischen Vorbildern, von dem aus man einen herrlichen Ausblick auf die Umgebung haben würde.
Andere Skizzen zeigten das Haus und den Turm aus unterschiedlichen Perspektiven oder Ausschnitte davon, einen Aufriss, die einzelnen Räume und einen Innenhof mit einer modernen Skulptur, an der das Wasser hinunterlief, statt eines Brunnens. Was ihn aber am meisten faszinierte, waren die Farben, die Francesca an den Rand gemalt hatte und denen sie die einzelnen Baumaterialien zugeordnet hatte.
Offenbar hatten sie ganz ähnliche Vorstellungen. Unabhängig von ihm hatte Francesca ein Gebäude entworfen, das seinem Traumhaus entsprach - bis auf den Glockenturm.
Es war richtig unheimlich. Ihre Vorstellung spiegelte seine wider. Francesca hatte sogar ein Tor zur Auffahrt skizziert. Es war nicht besonders hoch, damit der Blick auf die Landschaft nicht versperrt wurde, dafür aber umso eindrucksvoller. Zwei Pfeiler aus Naturstein hielten zwei Tore aus Bronze, die zwei sich aufbäumende Pferde darstellten.
Darüber befand sich ein Dach, von dem ein Schild mit der Aufschrift „Myora-Opal Station" hing.
Grant konnte seine Gefühle nicht in Worte fassen. Er wusste nur, dass er dort leben wollte. Mit der Frau seiner Träume. Francesca.
Genau das war es, was er von dem Architekten erwartet hatte, allerdings wurde ihm klar, dass er es zu einfach gesehen hatte. Madison hatte seine Vorstellungen von einer zeitgenössischen Version der traditionellen Heimstätte festgehalten. Francesca hingegen, die den Bauplatz gesehen hatte, hatte ihrer Fantasie freien Lauf gelassen.
Da Grant auf der Veranda saß, war er der Erste, der den grauen Wallach ohne Reiter und mit schleifenden Zügeln kommen sah.
O nein! dachte er.
Er sprang auf und mit einem Satz die Veranda hinunter und lief dem Pferd entgegen.
Schließlich hörte es sein wiederholtes Pfeifen, spitzte die Ohren und lief direkt auf ihn zu.
Wenige Minuten später hielt er es am Zügel. Sein Fell war schweißbedeckt. Es war offensichtlich, dass es durchgegangen war und erst das Tempo verlangsamt hatte, als es in Sichtweite des Hauses gekommen war. Die Tatsache, dass
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