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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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darüber zu reden.«
    In ihren Augen schimmerte Verletztheit. Sie hielt meine nassen Sachen in ihren Händen, Blut tropfte von dem Stoff herab und floss in den Ausguss. »Ich bin deine beste Freundin. «

    »Ich weiß. Das bist du ja auch. Aber ich hab’s versprochen . Ich will keinen Ärger bekommen. Seide hat mich sowieso schon auf dem Kieker.«
    »Ich werde nicht weitererzählen, was du mir sagst.«
    Vielleicht. Aber was, wenn sie es aus einer Laune heraus nur einer einzigen Person erzählte, Banner zum Beispiel, die es dann auch nur einer einzigen Person erzählte? Schon würde es die Runde bis zu Seide machen. Das Risiko konnte ich nicht eingehen.
    »Ich kann nicht darüber reden. Tut mir leid.«
    Fingerhut warf mir die halb gewaschenen Sachen in die Arme. Ich machte weiter, bis meine Finger wund waren. Zurück in meiner Parzelle hängte ich das Zeug dann zum Trocknen auf. Beinahe hätte ich mich danach einfach auf meine Lumpenmatratze geworfen, als mir gerade noch einfiel, dass das die sichere Verbannung bedeuten würde. Mein Beutel war bis oben hin vollgestopft mit wertvollen Relikten – bevor ich mich hinlegen konnte, musste ich zum Worthüter. Also warf ich mir den Beutel über die Schulter und bahnte mir einen Weg durch das Gassengewirr.
    Zu meiner Überraschung fand ich ihn im Allgemeinbereich. Er war zweiundzwanzig, sah aber älter aus, sogar älter als Dreifuß. Er hatte dünnes Haar, so hell, dass es beinahe weiß aussah, und seine Stirn lag ständig in Falten, als wüsste er von jedem Tag im Voraus, dass er eine einzige Enttäuschung werden würde.
    »Sir«, sagte ich und wartete, bis er auf mich reagierte.
    »Hast du etwas zu berichten, Jägerin?«
    So erschöpft ich auch war, diese Anrede gab mir immer noch einen Kick. »Das habe ich. Auf dem Rückweg von
Nassau haben wir in einem Raum Rast gemacht, der voller Dinge war, die Sie interessieren dürften. Ich habe sie hier.«
    »Du hast die Erlaubnis, sie mir zu zeigen.«
    Ich breitete all die glänzenden, bunten Bücher, die vergilbten Papiere, jeden noch so kleinen Gegenstand, den ich gefunden hatte, darunter auch ein paar mir völlig unbekannte Sachen aus der Schublade des Tisches, vor ihm aus. Der Worthüter starrte alles mit dem gleichen Erstaunen an, das ich gespürt hatte. Und zum ersten Mal fühlte ich so etwas wie Sympathie für ihn.
    Ich schaute noch dreimal in meinem Beutel nach, ob auch ja nichts in den Falten hängen geblieben war. »Das ist alles.«
    »Unglaublich, der größte Fund unserer Generation. Das wird unsere Kultur auf vielerlei Art bereichern.« Der Worthüter hatte bereits begonnen zu lesen und murmelte vor sich hin. »›Ersatzschalter für blaues Kabel‹ … Ich frage mich, was das bedeutet.«
    Nun, »Ersatz« sprach für sich selbst. Beim Rest konnte ich nicht helfen. Stumm stand ich da, bis er sich wieder an mich erinnerte. »Ah, ja. Du hast der Siedlung einen hervorragenden Bürgerdienst erwiesen. Ich werde dafür sorgen, dass du für deine Leistung eine Belohnung erhältst. Was hättest du gerne?«
    Dass Seide mich ernst nimmt. Fast hätte ich es gesagt. Erst im allerletzten Moment biss ich mir auf die Zunge und hielt die Worte zurück. Es würde Seide nicht gefallen, wenn sie vom Worthüter eine Abmahnung zu hören bekäme. Für sie würde das einer Umgehung der Befehlskette gleichkommen, um eine bevorzugte Behandlung zu erschleichen. So ein Verhalten
wäre in ihren Augen schwach und verweichlicht, und sie hätte sogar recht damit.
    »Ich bin mit jeder Belohnung zufrieden, die Sie für angemessen halten«, sagte ich.
    Der Worthüter lächelte. Ich glaube, das hatte ich noch nie zuvor bei ihm gesehen. »Schön.«
    »Das war noch nicht alles.«
    »Nein?«
    »Es gibt eine kleine Siedlung, nur einen Tagesmarsch von hier entfernt. Sie sind keine Freaks, aber sie sehen auch nicht aus wie wir. So etwas wie sie habe ich noch nie gesehen.« Streng genommen sollte Dreifuß auch hier sein, aber ich war zu müde, um mich um das Protokoll zu kümmern.
    »Friedlich?«
    »Ja. Sie gaben uns etwas zu essen, und wir konnten uns bei ihnen ausruhen. Ich glaube nicht, dass Bleich und ich es sonst geschafft hätten. Wir hatten nicht genug Wasser für den Einsatz dabei, und in Nassau konnten wir keines nachfüllen.«
    »Gute Neuigkeiten«, sagte er vollkommen neutral.
    »Es kommt noch besser. In einem ihrer Lagerräume habe ich so viele Relikte gesehen wie zuvor in meinem ganzen Leben. Es würde wahrscheinlich Jahre dauern, alles

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