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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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anzumerken waren. Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete sie, wie ich mich mit Banner unterhielt. Hoffentlich würde sie nicht auf die Idee kommen, dass ich Banner von meinem Nassau-Einsatz erzählte. Ich hatte die Frau gerade erst kennengelernt.
    Doch noch bevor ich irgendetwas zu ihr sagen konnte, kam Bleich zurück in die Werkstatt gelaufen. Er trat direkt auf uns zu, grüßte Banner mit einem Lächeln und sagte zu mir: »Fertig?«
    Ich nickte und winkte Banner auf Wiedersehen. Fingerhut
sah demonstrativ weg. Mit meinen Waffen in den Händen folgte ich Bleich aus der Werkstatt.
    »Ich muss nur das Zeug hier noch loswerden. Treffen wir uns in der Küche?«
    »Klingt gut«, erwiderte er. »Ich seh schon mal nach, was es dort zu essen gibt.«
    »Lass mich raten. Fleisch und Pilze.«
    »Vielleicht Fisch.«
    Richtig. Ab und zu kochten sie auch Fisch, damit wir nicht krank wurden. Die Ältesten verwendeten viel Zeit und Gedanken darauf, was wir aßen und wie viel. Ohne ihre sorgfältige Planung wäre die Enklave schon längst ausgestorben. Ein ernüchternder Gedanke. Erst gestern hatte ich die Konsequenzen von Nachlässigkeit gesehen – und die Ältesten glaubten uns nicht.
    Dreifuß, Kupfer und Seide schienen der Meinung, so etwas könnte hier nie passieren. Wir waren zu schlau, oder wir hatten zu viel Glück. Aber ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie in Nassau genau dasselbe geglaubt hatten. Bis zu dem Zeitpunkt, ab dem alles falsch lief.

SCHÄTZE
    Eine Woche später kehrte das Team zurück, das sie ausgeschickt hatten, über und über mit Überbleibseln aus der alten Welt beladen. Ich betrachtete die Fracht mit einem unguten Gefühl. Ich war nicht im Dienst gewesen, als sie loszogen, aber ich glaubte nicht, dass sie genug dabeigehabt hatten, um so eine riesige Menge einzutauschen …
    Das würden sie nie tun. Mein Glaube war zwar erschüttert, aber ich weigerte mich, den Gedanken zu Ende zu denken. Stattdessen atmete ich einmal tief durch und straffte meinen Körper.
    Bleich und ich waren gerade erst von unserer Patrouille zurückgekommen. Um meine Waffen hatte ich mich bereits gekümmert und ein bisschen aufgeräumt, war aber noch nicht im Allgemeinbereich gewesen, um zu sehen, wer dort war. Stattdessen ging ich meinen Partner suchen.
    Er war in seiner Parzelle, also rüttelte ich kurz am Vorhang, um ihn wissen zu lassen, dass er einen Besucher hatte. Einen Augenblick später streckte er den Kopf heraus. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Überraschung.
    »Was ist los?«
    »Ich bin mir nicht sicher.« Ich fasste zusammen, was ich gesehen hatte, sagte aber nicht mehr. Ich wollte wissen, ob er
das Gleiche dachte wie ich, ohne von mir beeinflusst zu werden.
    »Sie haben es mit Gewalt genommen.«
    Ich presste meine Augenlider zusammen. Jengu hatte uns das Leben gerettet. Was immer mit ihnen geschehen war, es war unsere Schuld. Ich hätte es wissen müssen: Der erste Lehrsatz der Jäger – »Die Starken überleben« – bestimmte, was sie taten. Sie nahmen, was sie konnten, weil sie es konnten. Doch es war nicht richtig, und sie hatten uns zu Lügnern gemacht.
    »Was sollen wir tun?«
    »Was können wir tun?«
    Diese Frage war nicht zu beantworten. »Sollen wir zum Worthüter gehen?«
    »Hat nicht er Seide befohlen, ein Team hinzuschicken?«
    Richtig. Ich hatte immer geglaubt, wenn ich erst einmal Jägerin war, würde ich über eine gewisse Macht verfügen, Einfluss darauf haben, wie die Dinge liefen. In Wirklichkeit jedoch traf das nur auf sehr wenige zu. Sogar Seide musste Befehle befolgen – ihre kamen von Dreifuß und dem Worthüter. Es würde Jahre dauern, bis ich die Möglichkeit hatte, zu den Ältesten aufzusteigen, und selbst dann gab es keine Garantie.
    »Also werden wir damit leben müssen. So wie mit dem, was sie mit dem Balg gemacht haben«, murmelte ich.
    »Vielleicht haben sie ja doch getauscht«, erwiderte Bleich, aber seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, glaubte er genauso wenig daran wie ich.
    »Ich weiß vielleicht, wie wir es herausfinden können.«
    »Sag.«

    »Zwirn würde es mir vielleicht erzählen. Treffen wir uns später im Allgemeinbereich?«
    »Klar.«
    Wir konnten ohnehin nicht länger hier herumstehen. Die Ersten schauten schon. Ich winkte kurz, dann machte ich mich auf die Suche nach Zwirn. Schließlich fand ich ihn irgendwo in einer Gasse. Er machte gerade einen Botengang für Dreifuß, und ich lief neben ihm her.
    Er warf mir einen argwöhnischen Blick zu. »Was ist

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