Die Enklave
unseres Plans. Sie waren nicht besonders tief, und wir wollten, dass sie der Blutspur folgten. Schon bald hörte ich ein Rascheln. Der erste Wolf hatte den Köder geschluckt.
»Es ist noch ganz frisch«, sagte eine Stimme. »Er muss hier drin sein.«
»Er ist nicht besonders weit gekommen«, murmelte eine zweite Stimme angewidert. »Ich hatte gehofft, mit dem würde es ein bisschen interessanter werden.«
Bleich trat hinter einem Stapel Kisten hervor. »Du meinst, ungefähr so?«
Wie zu erwarten gewesen war, stürzten sie sich sofort auf ihn und stießen dabei dieses fürchterliche Geschrei aus, wahrscheinlich, um die anderen wissen zu lassen, dass sie ihn gefunden hatten. Ich ließ mich von oben fallen, spürte, wie
meine Knie sich in den Rücken eines der Jungen bohrten, und hörte Knochen splittern. Bleich schickte den anderen mit einem Tritt zwischen die Beine zu Boden, und Tegan gab ihnen mit der Keule den Rest.
»Zwei weniger«, sagte sie lächelnd.
Ich hörte Schritte von draußen und trat zurück von den zwei Bewusstlosen. Die Wölfe versuchten nicht einmal, leise zu sein, was zeigte, wie sehr sie uns unterschätzten. Mit einem schweigenden Kopfschütteln blickte ich Bleich an, und er zuckte die Achseln. Verstehe einer diese Wahnsinnigen , sagten seine schwarzen Augen.
Ganze Reihen übereinandergestapelter Kisten boten ideale Verstecke und machten es schwierig für sie, uns zu entdecken. Bleich verschmierte sein Blut überall, während wir von Schatten zu Schatten huschten, damit sie uns nicht entdeckten. Ich war in der Dunkelheit geboren worden, und lange Zeit war der Schein einer Fackel das hellste Licht gewesen, das ich gekannt hatte. In dem Zwielicht hier fühlte ich mich wie zu Hause.
Mit geschlossenen Augen lauschte ich auf das Geräusch der Schritte. Unsere Verfolger kamen zu zweit oder zu dritt. Es war fast schon unfair. Sie suchten nach Bleich, und wir sorgten dafür, dass sie ihn fanden, wieder und immer wieder. Und jedes Mal, wenn ich in den Kampf eingriff, sah ich die gleiche Überraschung auf ihren Gesichtern. Man hätte meinen können, sie hätten noch nie eine Frau gesehen, die mit einer Waffe umgehen konnte. Dummheit ist tödlich .
»Wie viele waren es bis jetzt?«, fragte Tegan atemlos.
Bleich schaute mich an. »Ich hab zehn gezählt. Und du?«
»Zwölf. Du hast die zwei vergessen, die fliehen wollten.«
Tegan wischte die Keule ab. Ich hatte ihr erklärt, dass das Blut das Holz beschädigen würde, wenn man sie nicht sauberhielt. Ich würde sie später frisch einölen, falls wir etwas Öl finden sollten.
»Dann haben wir bereits über die Hälfte geschafft«, erwiderte Tegan.
Ich presste die Lippen zusammen. »Es ist noch nicht vorbei. Wir müssen Pirscher eine Lektion erteilen.«
»Abgemacht.« Bleich ging voraus und führte uns tiefer hinein in einen Haufen aus alten Maschinen und verrostetem Metall.
Noch mehr Wölfe kamen in das Gebäude, auf der Suche nach leichter Beute. Wie schade für sie, dass sie sie nicht fanden. Ich streckte einen mit einem Messerwurf nieder, dann rannte ich los, um meinen Dolch zurückzuholen. Bleich behielt mich aus einigem Abstand im Auge, während ich so tat, als würde ich den Jungen, der sich von hinten an mich heranschlich, nicht bemerken. Als Belohnung für seine Mühen bekam auch er mein Messer zu spüren.
»Jetzt bin ich dran«, sagte Tegan. »Ich träume schon so lange von diesem Tag.«
Wir überließen ihr die nächsten beiden. Sie hatte allen Grund, wütend zu sein. Ich konnte es kaum ertragen, wenn ich daran dachte, was sie hatte erdulden müssen, und das alles nur, weil sie als Mädchen auf die Welt gekommen war. Die Wölfe, und vielleicht alle Ganger, hatten eine fixe Idee im Kopf, die sie die Wahrheit nicht erkennen ließ: Es sind die Handlungen, die den Wert eines Menschen ausmachen. In den Tunneln überlebten nur die Robusten und physisch Starken, und wenn man zu denen gehörte, beschützte man
die Schwachen, bis sie selbst stark genug waren. So war es zumindest gedacht. In der Praxis hatte das in College nicht immer funktioniert, und in anderen Siedlungen wie Nassau war es noch schlimmer gewesen.
Aber Oben konnte ich nicht einmal den Versuch erkennen, eine solche Balance herzustellen, und das machte mich krank.
Schließlich waren nach meiner Zählung nur noch zwei übrig: Pirscher und sein Begleiter, wer auch immer das sein mochte. Ich hörte ihre Schritte näher kommen und bedeutete Tegan, die die Unerfahrenste von uns war,
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