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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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sich still zu verhalten. Sie runzelte zwar die Stirn, gehorchte aber und drückte sich flach gegen eine der Kisten.
    »Er hat Mickey und Howe fertiggemacht«, sagte eine neue Stimme. »Und hier ist überall Blut. Ich kann die Leichen schon gar nicht mehr zählen. Vielleicht sollten wir ihn gehen lassen.« Die Stimme klang ängstlich. Und jung. Bedenken stiegen in mir auf, bis mir wieder einfiel, mit welcher Begeisterung die Bälger sich auf mich gestürzt hatten. Vielleicht war es sogar der hier gewesen, der mir eins übergezogen hatte; der Gedanke verlieh meinem Entschluss neue Härte. »Pirscher, ich glaube, es sind nur noch wir zwei übrig. Wir haben immer noch das Mädchen. Das könnte doch Spaß machen, oder?«
    »Die Beute hat Zähne«, erwiderte Pirscher. Er klang ruhig und bestimmt. »Aber wir werden sie uns holen.«
    »Das glaubst nur du«, sagte ich flüsternd.

FLUCHT
    Pirscher war genau der fiese Brocken, als den ich ihn mir vorgestellt hatte. Aber er war auch schlauer. Als wir zu dritt aus den Schatten traten und uns ihm in den Weg stellten, blieb er sofort stehen. Irgendwie schien er nicht überrascht, mich zu sehen. Also war es tatsächlich eine Art Test gewesen. Ich konnte nicht fassen, dass er so viele Opfer unter seinen eigenen Leuten in Kauf nahm, nur um zu sehen, wie gut ich war. Er hatte mir eine ehrliche Chance gelassen, aber der Preis war so hoch, dass das einige Rückschlüsse auf seinen Charakter zuließ.
    Seide wäre begeistert gewesen.
    Als seine blassen Augen auf Tegan zu ruhen kamen, schüttelte er den Kopf. »Das wirst du noch bereuen.«
    Also hatte er nicht damit gerechnet, dass sie mir helfen würde. Er hatte gedacht, ich würde sie überwältigen und alleine fliehen. Gut zu wissen.
    Er warf sein Messer auf mich, und ich sprang zur Seite. Doch anstatt den Angriff zu erwidern, als Bleich sich auf ihn stürzte, schlug er seinem Welpen auf die Schulter, und sie rannten davon. Ich wollte schon die Verfolgung aufnehmen, als Tegan mich am Arm packte.
    »Nein. Er ist nicht dumm.«

    Ich beugte mich ihrer Erfahrung und rief Bleich nach: »Warte!«
    Nachdem er zurückgekommen war, fügte sie hinzu: »Er kommt erst wieder, wenn er genügend Wölfe versammelt hat, um mit uns fertigzuwerden. Die Jagd ist vorbei. Jetzt ist es eine Sache der Ehre.«
    Mein Herz blieb stehen. »Du willst damit sagen, dass es noch mehr von ihnen gibt?«
    »Das waren nur die Welpen, die ihre Bluttaufe erhalten sollten. Die richtigen Wölfe bewachen die Höhle.«
    So etwas Ähnliches wie unser Namensgebungsritual, dachte ich, nur mit dem Unterschied, dass wir nicht Jagd auf irgendwelche Unschuldigen machten, um unseren Namen zu bekommen. Wir verdienten ihn durch unsere eigene Tapferkeit. Was ich bis jetzt von der Oberfläche kennengelernt hatte, gefiel mir nicht besonders.
    »Klingt, als hättest du so etwas schon einmal erlebt«, sagte Bleich.
    Tegan nickte. »Wir haben nur diese eine Gelegenheit zu entkommen.«
    Ich schaute Bleich an. »Kannst du von hier aus das Haus finden, in dem Pearl gelebt hat?«
    »Ich glaube, ja.«
    Bevor wir uns auf den Weg machten, verband ich notdürftig Bleichs Arme. Diesmal wollten wir keine Spur hinterlassen. Sobald wir ein Versteck gefunden hatten, würde ich die Wunden besser versorgen müssen und sie mit Banners Salbe einreiben, aber Bleich ließ sich seine Schmerzen wie üblich nicht anmerken.
    Als wir uns einen Weg durch die Stadt bahnten, war es
glücklicherweise bereits dunkel. Die Stille machte mir zu schaffen. In der Enklave hörte man immer Geräusche von anderen Menschen, aber hier ragten die Gebäude stumm über uns auf wie tödlich verwundete Wachposten, und mich beschlich die Angst, sie könnten jeden Moment in sich zusammenbrechen und uns unter Stein und Schutt begraben. Unten hatte ich mich wie ein wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft gefühlt; hier oben kam ich mir vor wie ein Nichts. Die endlose Weite um mich herum beunruhigte mich, und es war mir beinahe unmöglich zu glauben, dass sie einmal voller Menschen gewesen sein sollte. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen.
    Als der Himmel wieder heller wurde, suchte Bleich ein Versteck für uns. Die Wände des Gebäudes waren nicht markiert und die Fenster an der Vorderseite eingeschlagen, weshalb wir leicht hineingelangen konnten. Trotzdem hielt ich mich bereit für den Fall, dass es Ärger geben sollte. Drinnen roch es nach den Ausscheidungen von Tieren, aber es gab keine Anzeichen von Menschen. Wer auch immer vor

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