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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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trinken. Stattdessen wusch ich mich damit, bevor ich meine frischen Kleider anzog. Nachdem ich so viel wie möglich von den Blutspritzern abgeschrubbt hatte, fühlte ich mich ein wenig besser, und die neuen Kleidungsstücke waren leichter und wärmer, als ich erwartet hatte.
    »Zwei!«, rief Bleich. »Das musst du dir ansehen.«
    Ich hatte gedacht, er hätte noch mehr Kleidung gefunden, aber es war ein weiterer Raum, verborgen hinter einer schweren Metalltür, auf der NUR FÜR MITARBEITER geschrieben stand. Dieser hier war vollgestopft mit Schachteln und Kisten, und dahinter befand sich noch ein Raum, kleiner, mit Tischen, Stühlen und hohen, schmalen Schränken darin, dazwischen zwei staubige Sofas. Wir klopften sie aus, bis man sich halbwegs darauf setzen konnte.
    »Wir können die Tür verriegeln und uns hier drinnen verschanzen, solange es draußen so hell ist«, sagte ich.
    »Das meinte ich gar nicht.«
    Ich setzte mich neben Bleich auf das Sofa, während er den Deckel von einer Dose abzog. Eine rote Flüssigkeit leuchtete
daraus hervor, und ich zuckte zusammen. Das war doch wohl nicht etwa … dann hielt Bleich die Dose unter meine Nase, damit ich daran riechen konnte. Es war der berauschendste Duft, den ich je gerochen hatte, und sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen.
    »Was ist das?«
    »Probier’s!« Bleich tauchte einen Finger in die Flüssigkeit und hielt ihn mir hin.
    Ich konnte nicht widerstehen, auch wenn es mir widerstrebte, mich wie ein Balg von ihm füttern zu lassen. Ein süßer Geschmack explodierte auf meiner Zunge, und ich spürte die Wärme seiner Fingerkuppe. Genauso erschrocken wie entzückt richtete ich mich wieder auf und tauchte zwei Finger wie einen Löffel in die Dose. Diesmal erwischte ich mehr als nur die Sauce, und ich sah ein kleines, rotes Ding auf meinen Fingern liegen. Ich aß, ohne zu zögern, noch zwei, drei Finger voll, bis mein ganzes Gesicht rot verschmiert war, aber das war mir egal. Bleich sah mir amüsiert zu.
    »Woher hast du gewusst, dass das so gut schmeckt?«, fragte ich.
    Bleichs Lächeln verschwand. »Ich hab es mal mit meinem Dad gegessen.«
    Ich drehte die Dose hin und her. Überall auf ihr waren diese kleinen roten Dinger abgebildet, darüber ein blaues Band mit weißen Buchstaben darauf. COMSTOCK, und darunter: EINGELEGTE KIRSCHEN. Noch mehr neue Wörter. Wir aßen also Kirschen , etwas, das ich noch nie probiert hatte, und ich wollte noch mehr davon. Trotzdem hörte ich auf zu essen, weil ich welche für Tegan übrig lassen wollte.

    »Vermisst du ihn?«
    Bleich nickte, und ich legte zögernd eine Hand auf seine Schulter. Ich war keine Zeugerin, und Berührungen fühlten sich für mich immer noch seltsam an. Wäre ich eine gewesen, hätte ich wahrscheinlich gewusst, wie ich ihn trösten könnte. Vielleicht wären mir sogar die richtigen Worte eingefallen, anstatt nur diesen Knoten im Hals zu spüren. Es war das erste Mal, dass ich mir dachte, eine Zeugerin zu sein wäre manchmal vielleicht gar nicht so schlecht.
    Und zum ersten Mal schaute ich Bleich an und sah nicht nur Muskeln und Reflexe und Kampfkraft. Ich sah einen Jungen, der mir auf meinem Weg aus den Tunneln gefolgt war und zu mir gehalten hatte, ganz egal wie groß die Gefahren auch sein mochten. Selbst als die Wölfe hinter ihm her waren, hatte er als Erstes daran gedacht, mich zu retten. Ich spürte mein Herz in meiner Brust, es schien anzuschwellen und gegen meine Rippen zu trommeln, bis der Lärm mich taub machte.
    »Du hattest recht«, sagte Bleich schließlich.
    »Womit?«
    »Warum ich geblieben bin. Es war immer noch die bessere Möglichkeit. In der Enklave zu leben war besser, als allein zu sein.«
    »Du bist nicht allein«, erwiderte ich. »Und das wirst du auch nie sein. Wir sind jetzt Partner.«
    Bleich lächelte. Ich wusste nicht, warum, bis er sagte: »Mein Dad hatte eine Partnerin. Aber ich erinnere mich nicht an sie.«
    »Eine Partnerin?« Ich fragte mich, ob sein Dad auch ein Jäger gewesen war, ob es Oben auch welche gegeben hatte,
ohne dass wir in der Enklave davon wussten. Schließlich musste es Oben auch noch andere Menschen geben als Pirscher.
    »Sie war meine Mutter.«
    Die Worte hörten sich für mich wie eine Frage an, auf die ich die Antwort nicht kannte. »Komm. Ich hab ein paar Wasserflaschen gefunden. Wir müssen deine Arme saubermachen. «
    »Die Schnitte sind nicht tief«, protestierte er.
    »Aber wenn sie sich infizie…«
    »Ich weiß.« Er folgte mir zurück in den

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