Die Entdeckung der Currywurst
Gesicht, rot, Pusteln, und dann noch Heimweh. Hat ihn der Erste Offizier mit an Land genommen, zum Essen. Hühnerfleisch mit Curry, das schmeckte, sagte Bremer, wie ein Garten. Geschmack aus ner andern Welt. Der Wind; die Schlange, die beißt; der Vogel, der fliegt; die Nacht, Liebe. Is wie im Traum. Eine Erinnerung, als man mal Pflanze war. Und in der Nacht träumte Bremer tatsächlich, er is n Baum. Ein Baum? Ja. Der Bremer war ja eher, sagen wir mal n nüchterner Mensch. Aber da kam er richtig ins Schwärmen. Sagte, der Wind sei durch ihn durchgegangen, er habe gerauscht, und dabei sei er so durchgekitzelt worden, daß er lachen mußte, bei jedem Windstoß, so kräftig, daß ihm die Äste weh taten. Dann ist er aufgewacht, und tatsächlich taten ihm die Seiten weh, hier die Rippen. Hat er mir gezeigt, fuhr ganz sacht in die Rippen. Verrückt, nich. Is das Gewürz gegen die Schwermut und gegen dickes Blut. Der Ausschlag war nämlich weg. So ne Art Götterspeise, hat Bremer gesagt. War das einzig Tolle, was der Bremer erlebt hat. Sonst ja nur Mord und Totschlag.
Haben Sie den Reis mit Curry gemacht?
Gabs doch nicht. Nee, ich hab den Reis mit nem Brühwürfel gekocht und dann kleingeschnittene glasierte Zwiebeln dazu. Bremer hatte sich nach dem Essen eine Zigarre angesteckt, eine der fünf echten Havannas, die Gary in kleinen Blechröhren zurückgelassen hatte, gut verschraubt, inzwischen aber strohtrocken, mit bröseligem Deckblatt. Bremer mußte nach dem Anstecken die kleine Flamme ausblasen, die am Zigarrenende brannte und ihm die Zigarre beinahe in der Hand abgefackelt hätte. Geh aufs Klo, sagte Lena Brücker, riecht man doch im ganzen Haus, wenn der Lammers ne Zigarre riecht, dann is er sofort hier. Bremer zog sich also aufs Klo zurück, öffnete die Luke. Lena Brücker stellte die Teller in die Spüle, ging in die Kammer, um den Handbesen zu holen, da sah sie auf dem Boden, neben dem Koffer, wo er seine Marinejacke abgelegt hatte, eine Brieftasche liegen. Ein Teil der Fotos, Papiere, Marschbefehle, das Soldbuch waren fächerförmig herausgerutscht. Er mußte die Jacke einfach über den Koffer geworfen haben. Sie hob die Papiere und die Brieftasche auf, wollte sie zurückstecken. Als sie das Foto sah, in Postkartengröße, ging sie zur Lampe: Bremer in Uniform, auf dem Arm ein kleines Kind, daneben eine Frau, dunkelhaarig, mit pechschwarzen Augen, und im Kinn so ein kleines Grübchen. Das Kind, das Bremer auf dem Arm trug, war noch kein Jahr alt. Er und die Frau sahen aus, als müßten sie gleich losprusten vor Lachen. Der Fotograf wird einen Witz gemacht haben. Sie starrte das Foto an. Auch ein Datum fand sie. 10.4.45 stand drauf. Er hatte nichts von einem Kind, von einer Frau gesagt.
Ich hab mich gefragt: Warum betrügt man eine so hübsche Frau? Warum hatte er seine Frau verschwiegen? Hätte er es gesagt, auch dann hätte ich ihn versteckt. Vielleicht auch mit ihm geschlafen – bestimmt sogar. Aber alles, was dann kam, wäre ohne sein Verschweigen so nicht gekommen.
Als er nach einer guten halben Stunde aus dem Klo zurückkam, als er sie umfaßte, nach kaltem Rauch riechend, sie an der Hand ins Schlafzimmer führte, als er ihr mit seiner großen Hand in die Bluse fuhr, packte sie plötzlich seine Hand, hielt sie wie in einem Schraubstock fest. Aua, sagte er. Sie drückte ihn sich etwas vom Leib, um ihm in die Augen sehen zu können, und fragte: Hast du eigentlich ne Frau? Da sagte er nach einem kleinen Zögern: Nein. Sie schüttelte den Kopf. Sie lachte ein wenig, ein künstliches Lachen. Sie ließ seine Hand los und hielt still, damit seine Hand ihr nicht noch einen Knopf von der Bluse riß, und sie sagte sich, daß sie genaugenommen kein Recht habe, ihn zu fragen. Er küßte ihren Hals, das Grübchen, die Salzfäßchen, wie ihre Mutter die kleinen Gruben am Hals genannt hatte, dann, als wüßte er, was ihr den Schauder einjagte, der die Haut sich zusammenziehen ließ, die Stelle hinter dem Ohrläppchen, und sie versanken in dieser ächzenden Matratzenkuhle. Die Sprungfedern kreischten, bis es klopfte. Von unten wurde gegen die Decke gehämmert. Frau Eckleben, sagte Lena Brücker außer Atem, die schläft direkt hier drunter.
Sie zogen die Matratzen, die damals noch dreigeteilt waren, aus dem schlingernden Ehebett, trugen sie in die Küche, legten sie neben das Sofa.
Es war das erste Mal, daß sie auf dem Boden schliefen, und da die Küche warm war, mußten sie sich nicht das Federbett über die
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