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Die Entdeckung der Currywurst

Die Entdeckung der Currywurst

Titel: Die Entdeckung der Currywurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Ohren ziehen. Liebe beruht auf Entgegenkommen, sagte die weise Frau Brücker, und ich beziehe das mal auf diese neue Unterlage, denke mir, es muß ein ganz anderes Gefühl sein, wenn man nicht unter dem anderen in eine quietschende Tiefe versinkt. Es war eine Insel aus zusammengeschobenen Matratzen. Allerdings drifteten sie, gerade wenn man sich darauf heftig bewegte, auseinander. So sehr, daß sie eine Konstruktion ersinnen mußten, um das lästige Verrutschen zu verhindern. Sie legte zunächst eine Wolldecke auf den Boden, I darauf die Matratzen, schob die an den Küchenschrank, stützte sie seitlich zur Wand mit einem Besen und einem Schrubber ab, schob gegen die Kopfkeile das Sofa und verrammelte das Lager mit zwei Stühlen zur Wand, damit die Matratzen nicht abdriften konnten.
    Bremer betrachtete die Matratzen und sagte mit einem maritimen Kennerblick: Sieht aus wie ein Floß.
    Darauf lassen wir uns zum Kriegsende treiben, sagte sie, so, jetzt komm mal, mein Held, und zog ihn sich auf das Matratzenfloß.

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    Am 1. Mai meldete der Reichssender Hamburg: Der Führer Adolf Hitler ist heute nachmittag auf seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen.
    Der Stadtkommandant von Hamburg, General Wolz, will die Stadt kampflos übergeben, die Engländer haben die Elbe überquert, marschieren auf Lübeck zu, Generalfeldmarschall Busch gibt Durchhaltebefehle, Großadmiral Dönitz gibt Durchhaltebefehle, Wolz schickt Parlamentäre los. Geheim, denn die SS erschießt Parlamentäre. Gauleiter Kaufmann will übergeben, darf aber nichts sagen, weil er nicht weiß, ob Stadtkommandant Wolz, der ja auch übergeben will, übergeben will; und auch Hafenkommandant Admiral Bütow will übergeben, darf ebenfalls nichts sagen, weil er nicht weiß, ob Kaufmann und/ oder Wolz übergeben wollen oder auch nur einer von den beiden oder beide nicht. So arbeiten sie alle unabhängig voneinander an der Übergabe der Festung Hamburg. Wolz zieht die zuverlässigen, für sein Vorhaben unzuverlässigen Truppen aus der Harburg-Front heraus, verlegt sie nach Nordosten: die SS-Kampfgruppe »Panzerteufel«. Alle drei, Wolz, Kaufmann und Bütow, legen sich verstärkte Stabswachen zu, damit Offiziere, die durchhalten wollen, sie nicht festnehmen können. Gauleiter Kaufmann lebt in der Festung Hamburg in einer Festung in der Festung. Umgeben von Stacheldraht. Vormittags werden Durchhalteparolen gesendet, Wetterberichte, sogar der Wasserstand wird gemessen, einen Meter über Normalnull. In Eutin werden drei Marinesoldaten, die sich von der Truppe entfernt hatten, erschossen. Ein englischer Panzer wird kurz vor Cuxhaven geknackt, die Besatzung verbrennt.
    Holzinger hatte, gleich nach der Nachricht von Hitlers Tod, für den 2. Mai Erbsensuppe angesagt, das Lieblingsessen des Führers: die Posaunen von Jericho, ha, ha. Lena Brücker hatte am Tag zuvor erfahren, daß ein Proviantlager der SS bei Ochsenzoll aufgelöst wurde, und zwanzig Kilo Trockenerbsen sowie eine Speckseite organisiert. Lena Brücker deckte den Tisch für die Abteilungsleiter. Da stürzt jemand herein und ruft: Hört mal. Er schaltet den Lautsprecher in der Kantine an. Im Radio die Stimme von Gauleiter Kaufmann: ... schickt sich an, Hamburg auf der Erde und aus der Luft mit seiner ungeheuren Übermacht anzugreifen. Für die Stadt, für ihre Menschen, für Hunderttausende von Frauen und Kindern bedeutet dies Tod und Zerstörung der letzten Existenzmöglichkeiten. Das Schicksal des Krieges kann nicht mehr gewendet werden; der Kampf aber in der Stadt bedeutet ihre sinnlose restlose Vernichtung . Bißchen spät, die Einsicht, sagt Lena Brücker, aber noch nicht zu spät, und zieht den Kittel aus. Der Sprecher liest eine Erklärung vor: Alle lebenswichtigen Verkehrseinrichtungen werden gesichert. Hamburger, zeigt Euch als würdige Deutsche. Keine weißen Fahnen hissen. Die Sicherheitsorgane Hamburgs werden ihre Tätigkeit weiterhin ausüben. Erscheinungen des Schwarzen Marktes werden ohne Nachsicht verfolgt. Hamburger, bleibt zu Hause. Sperrstunden einhalten. Lena Brücker nimmt ihre Tasche, darin ein Henkelmann mit Erbsensuppe, und sagt: Dann mal tschüs. So geht für sie das Tausendjährige Reich zu Ende.
    Sie eilt nach Hause. Menschen, denen sie begegnet, ruft sie zu: Der Krieg ist aus. Hamburg wird kampflos übergeben. Niemand, dem sie begegnete, kannte den Aufruf. Die fürchteten noch, daß es zu

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