Die Entdeckung der Currywurst
englische Militärbehörde. Transportierte Drehbänke und andere Werkmaschinen ab. Die Tommys demontierten die und schafften sie nach England. Manchmal fuhr er Verpflegung. Kam Freitagabend nach Hause, mit einer Tasche voll schmutziger Wäsche. Brachte aber auch immer was zu Essen mit.
Ging ins Bett und schlief, wie n Toter, ohne zu schnarchen, kaum daß er sich regte. Samstags saß Gary im Sofa, unrasiert, Beine auf dem Sessel, trank Bier und blätterte in der Lesemappe. Gegen Abend begann er sich einzuseifen, rasierte sich scharf, puderte das Gesicht, tönte die langsam grau werdenden Augenbrauen, ließ sich die Wimpern beim Friseur dunkel färben, sah tatsächlich aus wie Gary Cooper, mit blitzblauen Augen, auch mit den Tränensäcken, nur daß ihr Gary etwas versoffener aussah, schon damals. Er zog sein maßgeschneidertes Hemd an, den Anzug, fragte scheinheilig, ob sie mitkommen wolle, nee, dann griff er in die Hosentasche und blies auf dem Kamm: Ade, mein Liebchen, und ging in eine der Bars, wo gespielt und getrunken wurde, in denen die Amis und Tommys saßen, mit irgendwelchen Landpomeranzen, die mit ihren Busen und Hintern das große Glück suchten. Wollten raus aus Hunger, Trümmern, Kälte. Kalifornien, dahin wollten alle, dann Ostküste, zuletzt Liverpool.
Nachts kam er nach Hause, stank nach Schnaps und Bier und Rauch, und manchmal kam wie ne Spinne seine Hand unter der Decke die Beine rauf, ließ sie jedesmal wieder im Schlaf zusammenzucken, aufschrecken. Dachte wohl, muß mir was Gutes tun. Hopp und ex. War dann jedesmal ein Gefühl wie n kalter Stein im Bauch.
Nach drei Monaten begann sie sich herauszureden, sagte, daß sie Hefepilze habe. Die hatte sie mal gehabt, vor zehn Jahren, und plötzlich juckte es bei beiden, wenn sie miteinander schliefen. Da kam die Hand nicht mehr. Sie konnte nun ruhig schlafen, wenn er nicht allzu laut schnarchte, was immer erst sonnabendnachts losging. Komisch, nich? Oder wenn er nachts nach Hause kam und betrunken den Nachttisch anpißte.
Dann, es war ein Freitagabend, Anfang November, kam er, stellte wie immer die Unterwäsche hin, trank vier Bier und fiel ins Bett.
Am Samstag saß er im Wohnzimmer, an den Füßen die Schlappen, und blätterte in der Lesemappe, eine schon abgegriffene labbrige Lesemappe, die sie aus sechster Hand bekam. Lena Brücker war dabei, die Wäsche in der Zinkwanne einzuweichen. Mußte ja noch alles mit der Hand gewaschen werden. Sie stellte das Waschbrett in die Wanne, rubbelte eine Unterhose von ihm, insbesondere die Stelle, wo in einem schmalen Strich braun seine Scheiße eingetrocknet war. Zog die nächste Unterhose aus dem Seifenwasser. Es war ein Damenschlüpfer. Ein weißer Schlüpfer, der aber etwas, nein, viel knapper geschnitten war als ihre. Die Gummis eng, sehr eng, würden unter engen Röcken jene herzchenhafte Form in den Hintern eindrücken, die, wie sie wußte, Gary so mochte. Sie fischte aus dem großen Wäschekessel einen von ihren Schlüpfern heraus. Hielt ihn daneben. Wie weit ihre waren, sahen aus wie Flügelunterhosen. Würde sie in einem ihrer Schlüpfer aus dem Fenster springen, er würde ihr an den Beinen flattern. Sie stand da, starrte auf ihre Hände in der Zinkwanne, diese vom heißen Waschwasser rötlich angelaufenen Handrücken, die weiß verschrumpelten Finger. In dem Moment rief ihr Mann: Hol mir mal ne Flasche Bier, kalt! Er verlangte, sie solle in die Kneipe an der Ecke gehen und kaltes Bier holen, denn einen Kühlschrank hatten sie damals noch nicht. Da nahm sie die Hände aus dem Waschwasser, ging zum Küchentisch, zog langsam die Schublade auf, in der all die Brot- und Fleischmesser lagen, schob sie dann aber mit einem Ruck wieder zu. Sie rief rüber: Guck doch mal raus, Gary, hat, glaub ich, geklopft. Er hatte nichts gehört, ging aber zur Tür. Im Treppenhaus war es dunkel. Er machte Licht, und in dem Augenblick, als er sich über das Treppengeländer beugte, hinunterblickte, schlug sie die Wohnungstür zu. Er stand draußen und klingelte, klopfte, hämmerte, schließlich trat er gegen die Tür. Er tobte. Sie stemmte sich von innen gegen die Wohnungstür. Seine flache Hand kam plötzlich durch den Briefschlitz, wie die Arme eines Kraken bewegten sich die Finger, versuchten, den Griff zu fassen. Da schrie sie. Sie hörte Stimmen aus dem Treppenhaus. Sie hörte Claussen von unten brüllen: Ruhe da oben. Und weil ihr Mann weiter herumbrüllte, hörte sie, wie Claussen die Treppe hochstieg, seinen
Weitere Kostenlose Bücher