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Die Entdeckung der Currywurst

Die Entdeckung der Currywurst

Titel: Die Entdeckung der Currywurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Chesterfield oder Players.
    Was durchaus seine innere Logik hat, denke ich, denn diese Zigarettenwährung war nicht nur begehrt, allgemein einheitlich und haltbar, sondern auch unter einem ästhetischen Gesichtspunkt schön: rund, weiß, leicht. Vor allem, sie hatte einen Gebrauchswert, nicht wie die Reichsmark, mit der man, verlor sie weiter an Wert, sich allenfalls noch eine Zigarette anstecken konnte. Und nicht zufällig hat sich nicht irgendein anderer Gebrauchswert dafür angeboten, so nahrhaft verderblich und schlecht transportabel wie Butter oder Schmalz, sondern diese leichten, in jede Jackentasche passenden Stäbchen. Der Gebrauchswert der Zigarette, weder nahrhaft noch nützlich, liegt einzig und allein im Verzehr, soll sich in Duft, das heißt, die Nerven beruhigenden Geschmack und in Rauch auflösen, wobei von diesem Tauschwert, wurde er tatsächlich realisiert, lediglich, dem anarchischen Schwarzmarkt entsprechend, etwas Asche übrigblieb. Ich war mit meinem Vater, einem süchtigen Raucher, mehrmals auf diesem Schwarzmarkt gewesen. Und wahrscheinlich habe ich schon damals an der Bude von Frau Brücker gestanden. Aber nie wäre es meinem Vater in den Sinn gekommen, eine Currywurst zu essen oder gar mir eine zu spendieren.
    Wie sind Sie an die Bude gekommen, fragte ich Frau Brücker. War n Tip von Frau Claussen. Der Besitzer war n alter Mann, machte Kartoffelpuffer, mit Sägespäne gemischt. Richtige Magenfüller. Der bekam einen Schlaganfall, konnte nicht mehr die Kartoffeln schleppen. Mußte die Bude verpachten: zwei Brote und ein Pfund Butter die Woche.
    Sie war hingegangen und hatte sich die Bude genau angesehen. Eine Bretterbude. Darüber eine alte Schiffspersenning gespannt, durch die es bei Regen durchleckte. Sie dachte an die von Bremer zurückgelassene Feldplane, die noch immer so, wie er sie zusammengefaltet hatte, in der Kammer lag. Die konnte sie über den Stand spannen. Steh ich im Trocknen.
    Die Schwierigkeit war, etwas Eßbares aufzutreiben. Der Alte hatte einen Bruder, der Bauer war. Sie mußte sich was überlegen. Vielleicht Kalbswürste aus Weißkohl.
    Geht denn das?
    Klar, alles ne Frage des Abschmeckens.
    Am Großneumarkt parkte ich das Auto. Ich half ihr beim Aussteigen, betonte, um sie zu beruhigen, daß wir viel Zeit hätten. Ich führte sie langsam durch den Regen über das Kopfsteinpflaster. Der Blumenstand war noch immer da. Nur wenige Leute waren auf dem Platz. Drei Penner saßen unter einer Plastikplane auf einer Bank und tranken aus einer Korbflasche Rotwein.
    Na, gibts noch die Imbißbude?
    Ja, das heißt, nein, das ist keine Bude. Das ist ein großer Anhänger, so eine Art Campingwagen, weiß lackiert, doppelachsig, technisch auf dem neuesten Stand, eingerichtet mit Edelstahlspüle, Kühlschrank, Hähnchengrill, Wurstsotto, Friteuse. Dieser Wagen war in nichts zu vergleichen mit der alten Bretterbude von Frau Brücker und ihren gußeisernen Pfannen.
    Zweimal Currywurst.
    Der Mann nahm eine Wurst und steckte sie in eine kleine Maschine, unten fielen die Scheiben heraus. Dann steckte er die nächste hinein.
    Was is n das für n Geräusch?
    Ein Wurstzerkleinerer, erklärte der Mann, angeschafft vor einem Monat. Gibt es aber schon seit langem in Berlin. Hier in Hamburg ist man immer hinterher.
    Einen Moment überlegte ich, ob ich nicht sagen sollte: Hören Sie, vor Ihnen steht die Entdeckerin der Currywurst, aber dann dachte ich daran, daß ich auf die Frage, wie und wann sie die Currywurst entdeckt habe, noch keine Antwort wußte. Auch Frau Brücker schwieg. Verwegen sah sie aus mit ihrem braunen Topfhut unter dem Regenschoner aus Plastik. Sie starrte an die weiße Wand des Imbißwagens.
    Wie geht n das Geschäft, fragte sie.
    Nich so gut, bei Regen is gar nix.
    Seit wann stehn Sie n hier?
    Seit drei Jahren, war früher in Münster. Will wieder zurück. Keine gute Gegend hier. Zuviel Schickimicki. Von denen ißt keiner ne Currywurst. Er schob uns die Pappteller rüber. Macht sechsachtzig.
    Die Wurst war vom draufgeklatschten Ketchup kalt, und das Currypulver, ein Fabrikat aus Oldenburg, war nur drübergestreut. Eine Schweinswurst mit kleinen blauglasigen Stückchen, Resten von Knorpeln und Borsten darin. Ich gab Frau Brücker ein zweizackiges Plastikspießchen und führte ihre Hand zu dem Pappteller. Sie pikste ein Stück Wurst auf. Sie kaute langsam, nachdenklich. Ihrem Gesicht war nicht anzumerken, wie ihr die Wurst schmeckte. Ein alter Mann kam und bestellte sich ein Bier und

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