Die Entdeckung der Erde
Eismassen genöthigt, nach Süden hin umzukehren. Am 18. September liefen sie in einen von der Mündung des Argina-Flusses gebildeten Hafen des östlichen Lapplands ein. Noch etwas später riß ein anderer Sturm auch die »Buona Confidencia« von Willoughby’s Seite und jene kehrte nach England zurück; den letzteren fanden russische Schiffer im folgenden Jahre mitten im Eise. Die gesammte Besatzung war vor Kälte umgekommen. Diese Annahme erweckt wenigstens das, von dem unglücklichen Willoughby bis Januar 1554 geführte Schiffsjournal.
Chancellor, der die beiden Schwesterschiffe vergeblich an dem für den Fall einer unfreiwilligen Trennung vorher als Sammelplatz bestimmten Punkte erwartet hatte, glaubte von ihnen überholt zu sein, segelte nun, nach Umschiffung des Nordcaps, in einen weiten Golf hinein, der kein anderer als das Weiße Meer ist, und landete an der Mündung der Dwina, nahe dem Kloster Sanct-Nikolaus, etwa an der Stelle, wo sich später die Stadt Archangel erheben sollte. Die Bewohner dieser öden Gebiete theilten ihm mit, daß ihr Land unter der Herrschaft des Großfürsten von Rußland stehe. Er beschloß sofort, sich, trotz der ungeheuren Entfernung, selbst nach Moskau zu begeben. Den Thron hatte damals der Czar Ivan IV. Wassiliewitch, mit dem Beinamen »der Schreckliche«, inne. Seit einiger Zeit hatten die Russen schon das Joch der Tataren abgeschüttelt und es war Ivan gelungen, die verschiedenen kleinen Herrschaften zu einem Staatskörper zusammenzufassen, dessen Macht sich schon recht ansehnlich entwickelte. Die ausschließlich continentale Lage Rußlands, die Entfernung von jedem Meere, die Abgeschiedenheit von dem übrigen Europa, zu dem es kaum gehörte – so vererbte sich in seinen Sitten und Gewohnheiten die asiatische Herkunft – versprachen Chancellor den besten Erfolg. Der Czar, der die europäischen Waaren nur auf dem Wege über Polen beziehen konnte und seine Herrschaft gern bis zu den deutschen Meeren ausgestreckt hätte, sah sehr gerne den Versuch einer Handelsanknüpfung seitens der Engländer, welche beiden Theilen zum Nutzen gereichen mußte. Er empfing Chancellor nicht nur mit großer Höflichkeit, sondern machte ihm auch die vortheilhaftesten Anerbietungen, bewilligte ihm ausgedehnte Privilegien und ermuthigte ihn durch die größte Leutseligkeit, seine Reise zu wiederholen. Chancellor verkaufte seine Waaren mit Gewinn, nahm dafür eine Ladung Pelzwaaren, Robbenöl, Leberthran, Kupfer und andere Producte ein und kehrte mit einem Briefe des Czar nach England zurück. Der Gewinn, den diese erste Reise der Gesellschaft der Abenteuer-Fahrer einbrachte, ermunterte sie, eine zweite zu versuchen. Chancellor segelte also im folgenden Jahre nochmals nach Archangel und nahm dabei nach Rußland zwei Agenten der Gesellschaft mit, die mit dem Czar einen vortheilhaften Vertrag abschlossen. Auf dem Rückwege nach England brachte er dagegen einen von Ivan nach Großbritannien geschickten Gesandten neben dessen Gefolge mit. Von den vier Schiffen seiner damaligen Flotte ging eines an der Küste Norwegens zu Grunde, ein anderes beim Auslaufen aus Drontheim, und die »Buonaventure«, welche Chancellor selbst nebst dem Gesandten trug, versank in der Bai von Pitsligo an der Ostküste Schottlands am 10. November 1556. Chancellor ertrank bei diesem Schiffbruche, während es dem moskowitischen Gesandten gelang, sich zu retten; die Geschenke und Waaren, welche er nach England brachte, gingen jedoch alle verloren.
Das sind die Anfänge der englisch-russischen Handelscompagnie. Im Laufe der Zeit wurden sehr viele Fahrten nach denselben Stellen ausgeführt, doch liegt deren Aufzählung außerhalb des Rahmens unserer Aufgabe. Wir kehren also zu Cabot zurück.
Marie, die Königin von England, hatte bekanntlich Philipp II., König von Spanien, geheirathet. Als Letzterer nach England kam, zeigte er sich sehr übel gestimmt gegen Cabot, weil dieser den spanischen Dienst verlassen und jetzt England zu einer Handelsthätigkeit verhalf, welche die schon ansehnliche Seemacht des Landes bald merkbar zu verstärken versprach. Es ist also nicht zu verwundern, daß Cabot schon acht Tage nach der Landung des Königs von Spanien gezwungen ward, auf seine Stellung und Pension zu verzichten, die ihm früher von Eduard VI. lebenslänglich zugesichert worden waren. An seine Stelle wurde Worthington berufen Nicholls glaubt, dieser nicht besonders ehrenfeste Mann, der mit den Gerichten schon mehrfach in Berührung
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