Die Entdeckung der Erde
ein. Nun brach er geraden Weges nach dem Orinoco zu auf, drang in die Bai des Capuri ein mit einer großen Galeere und drei, von hundert Soldaten und Matrosen bemannten Booten, wand sich durch das fast undurchdringliche Gewirr von Inseln und Kanälen, das deren Mündung bildet, und fuhr den Fluß auf eine Strecke von hundertzehn Meilen hinaus. Die Erzählungen Raleigh’s über seinen Zug sind so fabelhafter Art, er häuft mit der Ungezwungenheit eines nach den Ufern der Themse verpflanzten Gascogners so viele Lügen zusammen, daß man versucht ist, seinen ganzen Bericht unter die erfundenen Reisen zu rechnen. Einige Spanier, welche die Stadt Manoa, hier Eldorado genannt, gesehen hatten, erzählten ihm, sagt er, daß diese an Größe und Reichthümern alle Städte der Welt übertreffe, ebenso wie Alles, was den Conquistadoren in Amerika jemals vor Augen gekommen war. »Hier giebt es, fährt er fort, keinen Winter, einen gesunden und fruchtbaren Boden, Wild und Geflügel aller Art in Ueberfluß; prächtige Vögel erfüllen die Luft mit noch nie gehörtem Gesang, daß es ein wahres Concert war. Mein Kapitän, den ich ausgeschickt hatte, um nach Bergwerken zu forschen, fand reiche Gold-und Silberminen, da er als einziges Instrument aber nur seinen Degen besaß, konnte er von den Metallen nichts losbrechen, um sie an Ort und Stelle näher zu prüfen, und brachte deshalb nur mehrere lose Stücke mit, welche erst später untersucht werden sollten. Ein Spanier aus Caracas nannte die betreffende Mine »
Madre de Oro
« (Mutter des Goldes).« Raleigh scheint indeß recht gut gefühlt zu haben, daß man seine Uebertreibungen wohl erkennen möge, und fügte deshalb hinzu: »Man wird vielleicht glauben, daß mich eine falsche, trügerische Illusion getäuscht habe; warum sollte ich aber eine so beschwerliche Fahrt unternommen haben, wenn ich nicht die Ueberzeugung gehabt hätte, daß es auf Erden kein goldreicheres Land gebe als Guyana? Whiddon und Milechappe, unser Wundarzt, brachten mehrere Steine, welche den Saphiren ungemein ähnlich sahen. Ich zeigte diese Steine einigen Anwohnern des Orinoco vor, die mir versicherten, daß von solchen Steinen ein ganzer Berg vorhanden sei.« Ein alter Cazike von hundertzehn Jahren, der jedoch ohne Ermüdung noch zehn Meilen zurückzulegen vermochte, kam, ihn zu besuchen, rühmte ihm die große Macht des Herrschers von Manoa und überzeugte ihn, daß seine Kräfte dagegen unzureichend seien. Er schilderte ihm dieses Volk als sehr civilisirte Leute, welche Kleider trugen und große Reichthümer, vorzüglich an Goldplatten, besaßen; endlich sprach er ihm auch von einem Berg aus reinem Gold. Raleigh wollte denselben natürlich aufsuchen, leider befand er sich aber zur Zeit halb unter Wasser gesetzt. »Er hatte die Gestalt eines Thurmes und schien mir eher weiß als gelb. Ein von ihm herabstürzender, während der Regenzeit besonders angeschwollener Bergstrom verursachte ein furchtbares Geräusch, das unsere Leute vollständig betäubte. Ich erinnerte mich der Beschreibung, welche mir Berreo von dem Glanze der Diamanten und kostbarer, in verschiedenen Theilen des Landes zerstreuter Steine geliefert hatte. Wohl hegte ich über den Werth derselben einige Zweifel; immerhin setzte mich jedoch ihre außerordentliche Weiße in Erstaunen. Nach einer kurzen Ruhe am Ufer des Vinicapara und einem Besuche in dem Dorfe des Caziken, versprach mir Letzterer, mich auf einem Umwege nach dem Fuße jenes Berges zu geleiten; angesichts der unüberwindlichen Schwierigkeiten, die uns entgegentraten, zog ich es aber vor, nach der Mündung des Cumana zurückzukehren, wo die Caziken aus der Nachbarschaft zusammen gekommen waren und zahlreiche, aus selteneren Landeserzeugnissen bestehende Geschenke brachten.« Wir verschonen unsere Leser mit der Beschreibung jener, die gewöhnliche Menschengröße dreimal übertreffenden Volksstämme, jener Cyclopen, d. h. Eingebornen, welche die Augen auf den Schultern, den Mund auf der Brust hatten und denen die Haare mitten auf dem Rücken gewachsen waren – lauter ganz ernsthaft vorgetragene Behauptungen, welche dem Berichte Raleigh’s freilich mehr den Stempel eines Feenmärchens aufdrücken. Beim Durchlesen desselben glaubt man weit eher ein Blatt aus Tausend und eine Nacht vor sich zu haben.
Wenn wir alle diese Schilderungen einer krankhaft erhitzten Phantasie beiseite lassen, welcher Nutzen für die Geographie bleibt dann noch übrig?
Nichts, oder doch fast nichts.
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