Die Entdeckung der Erde
Jedenfalls war es nicht der Mühe werth, diese phantastische Expedition mit so großem Geräusch, mit einem solchen Aufwand an Reclame anzukündigen, auf welche eigentlich doch nur das Wort des Fabeldichters Anwendung finden kann:
Da denk’ ich an einen Dichterling,
Der sagt: Den Kampf ich jetzt besing’
Zwischen Titanen und dem Donnergotte!
Versprochen ist’s viel – doch was giebt’s geschwind? –
Nichts weiter als Wind.
Fünftes Capitel.
Missionäre und Kolonisten. Kaufleute und Lustreisende.
I.
Abweichender Charakter des 17. Jahrhunderts. – Eingehende Untersuchung der schon entdeckter Länder. – Dem Durst nach Gold folgt der Glaubenseifer. – Die italienischen Missionäre am Congo. – Die portugiesischen Missionäre in Abyssinien. – Brue am Senegal und Flacourt in Madagascar. – Die Apostel Indiens, Indo-Chinas und Japans.
Das 17. Jahrhundert unterscheidet sich von dem vorhergehenden durchgreifend dadurch, daß die großen Entdeckungen als solche eigentlich beendet sind und man während dieser Zeit mehr nur darauf ausgeht, die schon erworbenen Kenntnisse zu vervollständigen. Es contrastirt deshalb ebenso mit dem folgenden, weil die wissenschaftlichen Methoden noch nicht zur Anwendung kommen, deren sich Seeleute und Astronomen hundert Jahre später befleißigten. Es gewinnt wirklich den Anschein, als hätten die Berichte der ersten Entdecker, welche von den durchstreiften Gegenden doch im Grunde nur einen oberflächlichen Ueberblick gewinnen konnten, nach manchen Seiten hin einen ungünstigen Einfluß auf den Volksgeist ausgeübt. Die Neugierde in der strengsten Bedeutung des Wortes erreichte den höchsten Grad. Man durchschwärmt die ganze Welt, um eine Vorstellung von den Sitten und Gebräuchen jeder Nation, den Erzeugnissen und der Industrie jedes Landes zu erlangen, aber – man studirt nicht. Man bemüht sich nicht, auf die Quellen zurückzugehen und sich über das Warum der Dinge Rechenschaft zu geben. Mit Befriedigung der Neugierde ist der Zweck erreicht. Alle Beobachtungen sind nur ganz oberflächlich, und es scheint, als hätte Jeder die größte Eile, alle im 16. Jahrhundert aufgefundenen Gegenden wenigstens einmal zu durchstreifen.
Der plötzlich über Europa hereinströmende Ueberfluß an Schätzen führt dann zu einer ökonomischen Krisis. Handel und Industrie verändern sich und wechseln ihre Stellung. Neue Wege sind eröffnet, neue Bedürfnisse treten auf, der Luxus und das Streben, sich durch waghalsige Speculationen schnell zu bereichern, verdreht die Köpfe. An Stelle Venedigs, das bezüglich des Welthandels seine Rolle ausgespielt hat, treten die Holländer, welche, nach einem glücklich gewählten Ausdruck Leroy-Beaulieu’s, »sich zu Spediteuren und Lieferanten ganz Europas entwickeln«, während die Engländer gleichzeitig die Grundmauern ihres ungeheuren Kolonialreiches errichten.
Den Kaufleuten folgen die Missionäre auf dem Fuße. Sie überschwemmen in zahlreichen Gesellschaften die neu entdeckten Gebiete, evangelisiren und civilisiren die wilden Völker, studiren und beschreiben die Länder. Das Aufleben des Glaubenseifers ist einer der hervorragendsten Züge des 17. Jahrhunderts, und wir können nicht umhin, jenen gottergebenen, gelehrten ‘und doch bescheidenen Männern unsere Anerkennung für alles Das zu zollen, was Geographie und Geschichte ihrer Thätigkeit verdanken. Der Reisende durchwandert nur das Land, der Missionär verweilt in demselben. Dem Letzteren wird es offenbar weit leichter, sich eingehendere Kenntniß von der Geschichte und der Bildungsstufe der Völker zu verschaffen, denen er seine Kräfte widmet. Es erscheint also ganz natürlich, daß wir von ihnen noch Reiseberichte, Beschreibungen und Geschichtswerke besitzen, welche den späteren Arbeiten als Grundlage dienten und noch heutzutage als Quellen benutzt werden…
Wenn diese Reflexion ganz im Allgemeinen ihre Geltung hat, so ist das doch ganz besonders der Fall bezüglich Afrikas und Abyssiniens. Was kannte man aber im 17. Jahrhundert von diesem gewaltigen, dreieckigen Festlande? Nichts als die Küsten, wird man antworten wollen. Weit gefehlt! Schon von den ältesten Zeiten her waren der Astapus und der Bahr-el-Abiad, die beiden Arme des Nils, bekannt.
Raleigh bemächtigt sich Berreo’s. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 492.)
Die Alten drangen vielleicht sogar, wenn man dem von Mariette in Karnak aufgefundenen Verzeichniß der Völker und Länder Glauben schenken
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