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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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weitere Felsbrocken ab, und zwar nicht nur durch Einwirkung des Flusses, sondern auch durch Wasser, das sich in den Klüften der Felsen sammelt und zu Eis gefriert: Je kälter es wird, desto stärker dehnt es sich aus und presst Gesteinsmassen auseinander. Solange es kalt bleibt, hält Eis den Felsen zusammen. Sobald bei Tauwetter die kittende Wirkung des Eises nachlässt oder ganz entfällt, können Felsbrocken vom Steilhang herunterfallen. Der linkselbische Gleithang (im Bild rechts) ist etwas sanfter geneigt. An dessen Oberkante ist nur ein kleiner Felsabbruch zu erkennen: Dort brechen Steine nicht deswegen ab, weil sie der Fluss unterhöhlt, sondern allein durch die Wirkung von Wind und Wetter, beispielsweise durch das Eindringen von Wasser in die Klüfte, das zu Eis gefriert und wieder auftaut.
    In allen diesen Teilen der Landschaftsdarstellung wird nicht auf Details der Geologie eingegangen, und sie beschreiben nichtdie spezielle Hydrologie des Flusses. Mit solchen Detailausführungen ließe sich die Darstellung der Landschaft ergänzen und immer weiter vervollständigen. Wichtig ist es aber, zunächst durch Evidenzen die logische Reihenfolge der Entstehung der Landschaft anzugeben. Die Erklärung wäre nicht korrekt, würde man den Eindruck erwecken, die Ablagerungen des Elbsandsteingebirges seien in der Höhenlage entstanden, in der sie heute zu finden sind. Wenn man die Darstellung mit Jahreszahlen belegen würde, also eine zeitliche Vorstellung davon gäbe, wann Sand abgelagert und wann daraus Stein wurde, wann der Stein gehoben wurde, wann die Bildung des Elbtals begann und sich der Prallhang herausbildete, würde man den ebenfalls falschen Eindruck erwecken, dass diese Entwicklungen nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und konsekutiv stattfanden. Das aber ist nicht der Fall. Abgeschlossen sind bis heute nur die Ablagerung von Sand und dessen Verfestigung zu Gestein. Beide Prozesse wurden dadurch beendet, dass zu Stein gewordene Materie aus einer Senke in eine Höhenlage gehoben wurde. Alle anderen Prozesse dauern bis heute an: Vielleicht hebt sich das Gebirge immer noch, auf jeden Fall wird es abgetragen, und auf jeden Fall brechen noch heute Steine von den Steilhängen und Felsen ab. Vor allem dann, wenn der Fluss reichlich Wasser führt, reicht die Kraft der Strömung aus, um das Tal zu verbreitern. An dessen Breite ist abzulesen, dass zu bestimmten Zeiten erheblich mehr Wasser durch die Senke geflossen ist und auch wieder fließen kann. Beim Elbhochwasser von 2002 strömte dann auch tatsächlich sehr viel mehr Wasser durch dieses Tal als zu «normalen» Zeiten.
    Alle diese Prozesse lassen sich sowohl in Vergangenheits- wie auch in Gegenwartsform beschreiben. Denn ihr Resultat ist einerseits die heutige Landschaft, aber andererseits sind sie weiterhin wirksam, so dass sich die sichtbare, konkrete Landschaft unaufhörlich verändert.
    Weitere Bestandteile von Natur sind die Elemente der Vegetation. Wälder bedecken vor allem die Hanglagen. Einerseits schützen sie dort die Landoberfläche vor Witterungseinflüssen und Erosion: Die Temperaturen in einem Wald sind stärker ausgeglichenals außerhalb davon. Daher kommt es unter Wald seltener zu Frostsprengung von Gestein. Andererseits können Baumwurzeln in Gesteinsklüfte eindringen, sie erweitern und schließlich Steine von einem steilen Hang absprengen. Wälder und besonders die Moosschicht an ihrem Boden halten Feuchtigkeit zurück.
    Zahlreiche Fakten, die auf dem Bild der konkreten Landschaft zu sehen sind, belegen den menschlichen Einfluss. Wald wurde gerodet, um im Tal Grünland, Siedlungsfläche und Gärten zu schaffen. Auf den Ebenheiten gibt es auch Ackerland. Aktuell werden vor allem ebene und leicht geneigte Bereiche landwirtschaftlich genutzt, während Wald auf den schwerer nutzbaren, vor allem steilen Flächen zu finden ist. Daraus könnte man als Evidenz ableiten, dass der Wald an für die Bewirtschaftung günstigen Stellen gerodet wurde, so dass sich sogenannte Rodungsinseln ausbildeten. Doch diese Vermutung lässt sich häufig widerlegen. Auch in der hier vorgestellten konkreten Landschaft ist nämlich zu sehen, dass zumindest einige Wälder erst durch Aufforstung früherer Freiflächen angelegt wurden. Sie bestehen aus lauter gleich alten Bäumen, die nur zu einer Pflanzenart gehören, beispielsweise der Fichte. In weiteren Untersuchungen ließe sich überprüfen, ob es Indizien dafür gibt, dass schon einmal umfangreichere Gebiete als Folge

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