Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
von Rodungen entwaldet gewesen waren. Auf jeden Fall dürfte jede Waldparzelle in den letzten Jahrtausenden durch Menschen verändert worden sein. Zwar kommen im südlichen Sachsen Fichten von Natur aus vor, aber der aktuelle Anteil an Fichten in den Wäldern ist sicher durch Aufforstung erhöht worden.
Das natürliche Vorkommen von Nadelbäumen im Gebiet lässt sich aus baulichen Eigenheiten der Häuser ableiten: Bei einigen von ihnen sind Front oder Giebel mit Nadelholz verbrettert. Die meisten älteren Häuser erkennt man unmittelbar vor dem Wald am Gleithang. Dort hat man sicher eine schöne Aussicht auf den Fluss und den Felsen, von dem aus das Landschaftsbild aufgenommen wurde. Aber man ist dort auch am ehesten sicher vor einer Überflutung, die die tiefer gelegenen Talpartien bei einem hohen Hochwasser unter Wasser setzen kann. Einige Häuser verweisendurch ihre Größe und ihren Baustil darauf, dass es sich bei ihnen um Gasthöfe oder Restaurants handeln kann; solche Häuser sind typisch für einen Kur- oder Ferienort.
Die Häuser sind von Gärten mit Obstbäumen umgeben. Das Flusswasser ist in kalten Herbstnächten wärmer als seine Umgebung, so dass sich Nebel bildet, der die Bäume vor Frost schützt. Allerdings gibt es in der Nähe der Ortschaft kaum Ackerland. Vielleicht war es früher vorhanden, was anhand weiterer Untersuchungen von Gelände und Urkunden zu ermitteln wäre. Heute können die Menschen in dem Ort jedenfalls nicht unabhängig von der Zufuhr von Lebensmitteln leben. Ist das auch früher der Fall gewesen, mussten die Bewohner des Ortes wohl spezielle wirtschaftliche Leistungen erbringen, um an Geld und dann an Korn zu kommen. Vielleicht verkauften sie Holz oder Obst; in jüngerer Zeit trug sicher der Tourismus zum Einkommen der örtlichen Bevölkerung bei.
Der Fluss war und ist ein wichtiger überregionaler Verkehrsweg, der von den hoch aufragenden Bergen aus gesichert werden konnte; im Mittelalter lagen dort Burgen, auch auf den Felsen der Bastei. Von Ort zu Ort kam man früher am besten auf dem Wasserweg. Der Schiffs- oder Fähranleger verweist auf die Erreichbarkeit des Ortes vom Fluss aus hin. Im Tal verläuft, wie ein Blick auf die Landkarte bestätigt, keine durchgehende Straße. Im Ort selbst gibt es nur kleine Sträßchen. Die traditionelle Verkehrserschließung der Gegend auf Landwegen erfolgt also über die Ebenheiten; auch heute verlaufen dort die Straßen zwischen den Orten der Gegend. Um auf dem Landweg von einem Ort im Flusstal zum nächsten zu kommen, muss man zum Teil erhebliche Umwege über die Höhen in Kauf nehmen.
Während eine Straße abwechselnd auf den Ebenheiten und im Talgrund verlaufen kann, wobei immer wieder Steigungen zurückzulegen sind, ist das bei einer Eisenbahnlinie nicht möglich. Schienengebundener Verkehr kann nur geringe Steigungen überwinden. Täler bieten ideale Voraussetzungen für die Trassierung von Eisenbahnlinien; nur in wenigen Gegenden führte man Bahnen über die Höhen und brauchte dazu aufwendige Viadukte, umTäler zu überwinden. Die Streckenführung der Bahn wurde an die Flussschlingen angepasst. Man wählte für die Bahnlinie eine Lage möglichst weit oberhalb vom Fluss, um vor Hochwasser sicher zu sein. Aber unmittelbar unter dem bewaldeten Hang, wo Probleme mit Hochwasser am unwahrscheinlichsten waren, konnte man die Bahn auch nicht bauen: Die Kurvenradien wären zu eng geworden, um die Gleise mit relativ hohen Geschwindigkeiten befahren zu können. An einigen Stellen verläuft die Bahn in einem Einschnitt. Dort vor allem sind die Ränder der Bahntrasse mit Bäumen und Büschen bepflanzt. Damit lässt sich verhindern, dass der Wind im Winter lockere Schneemassen in den Bahneinschnitt bläst, so dass die Bahnlinie unter hohen Schneeverwehungen versinkt. Der Bahnhof konnte nicht unmittelbar bei den hoch gelegenen Häusern gebaut werden. Um die Haltestelle herum entstand eine Bahnhofssiedlung mit Häusern in geringerer Höhenlage. Weitere Häuser wurden weiter abwärts, dichter am Ufer gebaut. Je dichter am Wasser und in je geringerer Höhenlage Häuser und Verkehrslinien aber gebaut wurden, desto eher waren sie vom Hochwasser gefährdet.
Aus diesem Beispiel einer landschaftswissenschaftlichen Darstellung lassen sich mehrere Folgerungen ableiteten: Erstens, sie ist allgemein gehalten. Sie geht nicht von Lokalitäten aus, sondern stellt die Geschichte der Landschaftsgenese in den Mittelpunkt. Mit Leichtigkeit lässt sie sich aber zu
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