Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
«Story» zu einer Landschaft neu darzustellen. DieMöglichkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens in dieser Richtung sind uferlos. Es ist allerdings sehr problematisch, überhaupt Kenntnis über die in den verschiedenen Disziplinen sehr weit verstreut publizierten Resultate zu erlangen; sie sind von Datenbanken nicht einmal ansatzweise erfasst. Wichtig können hier auch sehr versteckt publizierte Studien sein, etwa in Heimatkalendern, Zeitungen und Vereinsjahrbüchern.
Dazu noch eine Anmerkung: Nicht immer ist die zu Anfang vorgestellte starre Gliederung die erste Wahl. Zu empfehlen ist sie nur, wenn man tatsächlich zur Lösung einer Forschungsfrage oder einer Hypothese eine Methode einsetzt, dann Ergebnisse erzielt und diese abschließend diskutiert. Es gibt auch andere Formen der wissenschaftlichen Erkenntnis. Sie gehen von der Beobachtung eines Phänomens aus, ohne dass zuvor eine Hypothese entwickelt und eine Untersuchungsmethode gewählt wurde. Auf diese Weise erzielte Resultate können große Bedeutung haben, zumal dann, wenn beabsichtigt ist, Landschaften zu beschreiben und zu erklären.
Eine konkrete Landschaft: die Sächsische Schweiz
Der Gang einer landschaftswissenschaftlichen Darstellung soll an einem Beispiel deutlich gemacht werden: der Landschaft der Sächsischen Schweiz, wie sie sich von den Felsen aus erschließt, die als «Bastei» bezeichnet werden. Der Ausblick von diesen Felsen auf die Elbe und das Elbsandsteingebirge, das auch Sächsische Schweiz genannt wird, ist viel gerühmt. Zum ersten Totaleindruck dieser Gegend gehören der Fluss und seine Biegung sowie bizarre Felsen. Man sieht «schöne Natur», eine erhabene und spektakuläre Landschaft. Viele Besucher der «Bastei» beschränken sich darauf, die sichtbaren Punkte zu identifizieren, etwa den Kurort Rathen bzw. dessen Ortsteil Oberrathen, der auf der anderen Elbseite unterhalb der Bastei liegt. Man sieht auch die charakteristischen Berge, die aus nahezu ebenen Flächen emporragen und selbstoben abgeplattet sind: den Lilienstein im Vorder-, den Königstein im Hintergrund. Zur Elbe mag man sich noch klarmachen, dass dieser Fluss seine Quelle per definitionem im Riesengebirge hat und dass er in die ferne Nordsee mündet
(Abb. 9–1)
.
Abb. 9-1 Blick vom Felsen der «Bastei» auf das Elbtal bei Rathen.
Man befasst sich auf diese Weise nicht mit den eigentlichen Fakten von Landschaft, die auf natürliche und menschliche Einflüsse zurückgehen, sondern hauptsächlich mit topographischen Bezeichnungen und Begriffen, die aufkamen, um die merkwürdige Landschaft zu erklären: Benennungen wie Bastei, Lilienstein, Königstein, Sächsische Schweiz wecken Assoziationen und sind geeignet, Sehnsucht hervorzurufen bei Menschen, denen man die wunderbare Gegend südöstlich von Dresden gerne einmal zeigen möchte. Aufgabe der Landschaftswissenschaft kann es zwar auch sein, das Zustandekommen dieser Begriffe zu erklären. Zunächst aber muss deutlich werden, was in dieser konkreten Landschaft auf natürliche Einflüsse zurückgeht und was durch menschlichenEingriff, durch Kultur, entstand. Danach kann man sich auch mit den Ideen beschäftigen, die Menschen zu dieser Landschaft geäußert haben. In der Regel sind die Namen mit diesen Ideen verbunden, sie sollten zunächst also nicht hervorgehoben werden.
Als erster Arbeitsschritt ist eine Materialsammlung erforderlich. Dies muss im Methodenkapitel der analytischen Arbeit als kurzer Hinweis vermerkt sein. Weitere Arbeitsschritte, auf die im Methodenteil einzugehen ist, umfassen die Zuordnung der Elemente zu natürlichen oder menschlichen Einflüssen, des Weiteren, ob es sich bei ihnen um topographische oder interpretierende Bezeichnungen bzw. Metaphern handelt.
Die auf dem Bild der konkreten Landschaft sichtbaren Elemente werden dann in einem Ergebnisteil der Arbeit zusammengestellt. Dabei müssen sie danach geordnet werden, ob sie sich offensichtlich unter natürlichem Einfluss befinden
(Abb. 9–2),
ob sie durch Einwirken von Menschen geschaffen oder verändert wurden
(Abb. 9–3)
oder ob sie topographische oder interpretierende Bezeichnungen sind
(Abb. 9–4)
. Bestimmte materielle Bestandteile der Landschaft wurden zur Sächsischen Schweiz und zur Elbe allein durch die Benennung, aber nicht ihrer Natur nach oder durch menschliche Gestaltung der Landschaft. Weitere Metaphern sind wissenschaftliche Typisierungen, etwa die Idee, das Durchbruchstal der Elbe als Canyon zu bezeichnen, oder die
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