Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Regenzeit einige Monate früher. Im Juli und August gibt es in Mitteleuropa auch meistens längere regenarme Zeiten, in denen das Korn reifen konnte; im Nahen Osten reift Getreide dagegen bereits im Frühsommer, zu Beginn der Trockenzeit, heran. Die Erntezeit von Getreide, imOrient im Frühsommer, wurde in Mitteleuropa in den Hochsommer gelegt.
Abb. 12-3 Abfallgruben einer jungsteinzeitlichen Siedlung heben sich deutlich vom hellen Löß ab. Vielleicht befanden sich dort vor der Verfüllung von Abfall Baumwurzeln des gerodeten Waldes.
Es zeigte sich im Lauf der Zeit, dass die Transferierung von Getreide aus dem Nahen Osten nach Europa sehr gut möglich war. Das gemäßigte Klima Europas führte zu gleichmäßig hohen Erträgen der Kulturpflanzen; es gab nur relativ selten Jahre mit ungünstiger Witterung. Mitteleuropa entwickelte sich zu einer weltweit bedeutenden Kernregion des Ackerbaus, in der höhere Erträge erzielt wurden als vielerorts im Nahen Osten.
Die Böden mussten intensiv bearbeitet werden; wurden in einem Jahr die aufkommenden Kräuter und Sträucher nicht zerstört, setzten sofort die Initialen einer Sekundärsukzession ein, die schließlich zur Wiederbewaldung führte. Ohne ständige Bearbeitung gewannen die dynamischen Entwicklungen von Natur sofort die Oberhand.
Die Tiere, die die europäischen Ackerbauern damals hielten, fanden ebenso wie im Nahen Osten in den Wäldern hinreichend Nahrung. Rinder, Schafe und Ziegen lichteten die Gehölze allmählich auf, weil sie nicht nur Kräuter fraßen, sondern auch nachwachsende Jungtriebe von Bäumen. Je weniger Bäume in den Wäldern standen, desto vitaler konnte sich die Vegetation am Boden entwickeln. Unter dem Einfluss eines maritimen Klimas fanden die Tiere der Bauern fast das ganze Jahr über in den Wäldern genug Nahrung. In Bereichen mit stärker kontinental getöntem Klima lag im Winter längere Zeit Schnee. Dann mussten die Tiere gefüttert werden. Dafür gewannen die Bauern im Frühsommer Laubheu: Sie schnitten frisch belaubte Zweige von Ulmen, Linden, Eschen und anderen Gehölzen, trockneten sie den Sommer über in den Baumkronen und warfen sie im Winter dem Vieh vor. Wiesen, auf denen Grasheu bereitet wurde, gab es zur damaligen Zeit nicht.
Frühe Ackerbauernsiedlungen bestanden nicht auf Dauer. Nach einigen Jahrzehnten oder allenfalls wenigen Jahrhunderten – genauere Zeitangaben dazu sind leider nicht möglich, weil keine schriftlichen Quellen, sondern nur archäologische Funde darüber Auskunft geben – wurden die Siedlungen und ihre Wirtschaftsflächen aufgegeben und verlagert. Die Gründe dafür sind nicht klar; mutmaßlich kam es zu einer Mangelsituation. Möglicherweise ließen die landwirtschaftlichen Erträge nach. Es ist aber noch wahrscheinlicher, dass es nach einigen Jahrzehnten am Siedelplatz an geeignetem Bauholz mangelte, das man zum Neubau von Häusern brauchte. Der Bedarf an Bauholz war aber groß, denn in den Holzhäusern bestanden offene Feuerstellen, und es ist daher wahrscheinlich, dass immer wieder einmal Häuser niederbrannten und anschließend neu gebaut werden mussten. Auch ohne Feuer war die Lebensdauer von Holzhäusern begrenzt. Langholz stand dann nur noch in benachbarten Waldparzellen zur Verfügung. Man hätte es von dort holen können, aber möglicherweise erschien es den Menschen einfacher zu sein, an einem Platz, wo Langholz noch verfügbar war, eine neue Siedlung anzulegen.
Auf den nicht mehr bewirtschafteten Flächen konnte nun eine Sekundärsukzession von Wald ablaufen: Pflanzen breiteten sichwieder allein unter natürlichem Einfluss auf Böden aus, die bereits Waldböden waren. Im Verlauf der Neuentwicklungen von Wald konnten sich vielerorts nach dem Ablauf von frühen Sukzessionsstadien mit Birken, Pappeln und Weiden neue Waldbäume durchsetzen, und zwar die Buche in Mitteleuropa, [107] die Fichte in Teilen Skandinaviens [108] und im westlichen Alpenraum. [109] Die Ausbreitung dieser Baumarten dauerte mehrere Jahrtausende an, und zwar so lange, wie Siedlungen auf die oben beschriebene Art verlagert wurden und immer wieder an anderen Stellen Sekundärsukzessionen abliefen, nämlich vom frühen Neolithikum bis zum Beginn des Mittelalters. Wenn die sich neu ausbreitenden Baumarten im Verlauf von Sekundärsukzessionen auf ehemaligen Siedlungsflächen häufiger geworden waren, breiteten sie sich von dort aus auch allmählich in benachbarte Waldflächen aus, auf denen zuvor keine Siedlung mit ihren
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