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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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bei einer Feld-Gras-Wirtschaft späterer Zeit vor sich gegangen sein: Innerhalb einer größeren Fläche, auf der Gras wuchs, wurden an wechselnden Stellen Felder angelegt, die in dem einen Jahr größer, in einem anderen kleiner waren.
    In der Regel baute man mindestens zwei Getreidearten an, die zu unterschiedlichen Zeiten reiften. Dadurch wurde die Abhängigkeit von der Witterung herabgesetzt; waren die Bedingungen für Wachstum, Reifung oder Ernte der einen Getreideart nicht günstig, so konnte man immer noch hoffen, bei der anderen mehr Erfolg mit den Witterungsbedingungen zu haben. Außerdem zog sich auf diese Weise die arbeitsintensive Ernte stärker in die Länge, so dass man sie mit begrenzten Ressourcen an Personen besser bewältigen konnte.
    Es gab keine gepflegten Viehweiden wie in späterer Zeit. Die von den Bauern gehaltenen Tiere fanden in den Wäldern in derUmgebung der Siedlungen genug zu fressen, vor allem in den Wäldern des Nahen Ostens, in denen die Bäume nicht sehr dicht beieinander standen und eine Menge nahrhafter Pflanzen am Boden wuchs. Viehweiden waren nicht umzäunt; daher mussten die Tiere von einem Hirten bewacht und geführt werden. Die Tiere weideten nicht nur Kräuter, sondern auch junge Triebe von Gehölzen ab, so dass die Wälder im Lauf der Zeit immer lichter wurden. Alte Gehölzpflanzen starben ab, ihr Nachwuchs kam nicht in die Höhe, weil er immer wieder verbissen wurde. Einige Waldbereiche nahmen im Lauf der Zeit eher den Charakter von Offenland an, in dem nur noch einzelne Bäume und Büsche zu erkennen waren, andere waren dichter von Gehölzen bestanden. Eine strikte Trennung zwischen Wald und Weideland gab es nicht.
    Einige Siedlungen im Nahen Osten blieben lange Zeit über stabil an einem Ort bestehen: Siedlungsschicht legte sich über Siedlungsschicht, so dass allmählich ein Siedlungshügel aufwuchs, den man als Tell bezeichnet. Siedlungen wurden aber wohl auch immer wieder einmal verlagert, wobei die Gründe dafür nicht bekannt sind. Möglicherweise mangelte es an einer Ressource, die zum Weiterbestand der Siedlung notwendig gewesen wäre, oder die Erträge der Kulturpflanzen ließen nach.
    Alle frühen Ackerbaukulturen werden als neolithisch bezeichnet. Man nennt ihre Kultur Neolithikum oder Jungsteinzeit, weil sie den Archäologen ursprünglich als die jüngste auffiel, in der Stein und Knochen, aber kein Metall verwendet wurde. Im Nahen Osten gab es eine frühe Phase der Jungsteinzeit, die wegen des Fehlens von Tonwaren als «Akeramisches Neolithikum» bezeichnet wird. Später stellten Bauern Tongefäße her, die beispielsweise zur Aufbewahrung von Speisen dienten. Offensichtlich kamen nicht alle Errungenschaften der neuen Wirtschafts- und Lebensweise zur gleichen Zeit auf: Zuerst setzte die Landwirtschaft ein, die Menschen nahmen wohl zur selben Zeit feste Wohnsitze ein, aber Keramik wurde erst später hergestellt.
    Insgesamt hatten die Gruppen von Menschen, die in einer Siedlung zusammenlebten und zusammenarbeiteten, fast alle zum Leben oder Überleben notwendigen Ressourcen an Ort und Stelle,oder sie produzierten sie im Zuge ihrer Landwirtschaft. Auf eine übergreifende Infrastruktur waren sie kaum angewiesen. Es mag zwar einen Austausch zwischen benachbarten Siedlungen gegeben haben (das belegen bei Ausgrabungen gefundene Gerätschaften und Tonwaren), aber die einzelnen Siedlungen waren autark. Eine übergeordnete Infrastruktur bestand nicht; für sie hätte man die Schrift gebraucht. Die Menschen verwendeten sie aber offensichtlich nicht, daher konnten auch keine Nachrichten über größere Distanzen übermittelt werden.
Ausbreitung von Landwirtschaft
    Die Attraktivität des neuen Landnutzungssystems wurde sicher auch für Menschen evident, die in der Nachbarschaft zu den Ursprungsgebieten der Landwirtschaft lebten. Vor allem mag ihnen aufgefallen sein, dass bei den Bauern seltener gehungert wurde, die Kindersterblichkeit geringer und die Lebenserwartung insgesamt höher war als die von Menschen, die allein auf die Jagd und das Sammeln von Pflanzenteilen als Basis ihrer Ernährung setzten.
    Damit man erfolgreich Kulturpflanzen auch in anderen Gebieten der Erde anbauen konnte, mussten deren Wuchsbedingungen auf eine Weise simuliert werden, dass sie denjenigen in den Gebirgen des Vorderen Orients entsprachen. Getreide und andere Kulturpflanzen brauchen genügend Wasser, um in einer ersten Entwicklungsphase zu gedeihen. Es ist günstig, wenn man dafür eine

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