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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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der Ackerbau einmal entwickelt worden war. So gut wieüberall, wo Löß verbreitet war, konnten neolithische Siedlungen nachgewiesen werden, die seit dem 6. Jahrtausend vor Chr. gegründet wurden. [103] Löß bedeckte aber nicht das gesamte Terrain; an den steileren Unterhängen der Täler war er seit der Eiszeit bereits abgespült worden. Die Siedlungen entstanden jeweils am Rand der mit Löß bedeckten Flächen am halben Hang der Täler. Unterhalb der Siedlungen war wegen der Steine im Boden kein Ackerbau möglich; dort lagen Flächen, die man zur Viehweide nutzen konnte. Oberhalb der Siedlung befanden sich die Äcker auf Löß. Zwischen den beiden Nutzungsarealen lagen die Siedlungen in sog. Ökotopengrenzlage. So wurde die typische Situation ländlicher Siedlungen, die seitdem stets aufgesucht wurden, bereits vor rund sieben Jahrtausenden gefunden
(Abb. 12–2)
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    Abb. 12-2 Auf dem Oberhang im Hintergrund bestand eine jungsteinzeitliche Siedlung, die gerade ausgegraben wird. Die Siedlung hatte eine Ökotopengrenzlage zwischen dem feuchten, steinigen Tal und den Ackerflächen (im Hintergrund; bei Kornwestheim im Neckarland).
    Diese Leistung ist vor allem deswegen als erstaunlich zu bewerten, weil das gesamte Terrain bewaldet war. Man kann sich vorstellen, dass die Menschen sich vor der Gründung von Siedlungen an den Bachläufen orientierten. Sie brachten in Erfahrung, wo am Hang die Grenze der Lößdecke lag, und dort begannen sie mit dem Siedlungsbau. Dazu musste zunächst der Wald gerodet werden. Dies war mit Steinäxten möglich. [104] Man kann die im Abstand von einigen Metern unregelmäßig nebeneinanderliegenden Gruben innerhalb von Siedlungsarealen als die Stellen deuten, an denen Baumstümpfe ausgegraben wurden. [105] Sie wurden später mit Abfall aus der Siedlung gefüllt; daher heben sie sich im hellen Löß als dunkle Verfärbungen ab
(Abb. 12–3)
.
    Das Holz der Wälder, in denen Eichen häufig waren, wurde zum Hausbau verwendet. Die Häuser der frühen Bauern waren bis zu ungefähr dreißig Meter lang; sie werden daher als Langhäuser bezeichnet. Die Häuser könnten genau die Länge der Baumstämme erhalten haben, die in den Wäldern gestanden hatten. Auch das Areal künftiger Äcker wurde gerodet; vielleicht holte man dort aber nicht die Baumstümpfe aus dem Boden. Weiteres Holz wurde in die Siedlung gebracht, man brauchte es zur Herstellung von Werkzeug, zum Heizen und zur Nahrungszubereitung. Das Holz der meisten Laubbäume musste gut getrocknet werden, bevor man es zum Heizen verwenden konnte. Angesichtsder großen Bedeutung, die Holz für die frühen Bauern hatte, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Steppenheidetheorie zutrifft, in der behauptet wird, dass es gerade die unbewaldeten oder wenig dicht bewaldeten Orte waren, an denen die ersten Siedlungen entstanden (vgl. Kapitel 11).
    Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Brandrodung angewandt wurde; dabei hätte man eine kostbare und auch damals schon bald knapp werdende Ressource vergeudet. Zudem lassen sich die meisten in Europa vorkommenden Gehölzpflanzen nicht entflammen. Nur einige Nadelbäume können in Brand gesetzt werden; sie kamen aber in den Gebieten früher Landwirtschaft nicht oder nur selten vor. Brandrodung war auch deswegen nicht notwendig, weil die Böden gut mit Mineralstoffen versorgt waren, und zwar durch die Ablagerung von feinem Löß aus den Gletschervorfeldern. Brandrodung wird im Allgemeinen nur dort durchgeführt, wo man die Asche der verbrannten Pflanzen oder Pflanzenteile zum Düngen der Standorte nutzen möchte.
    Sowohl am Mittelmeer als auch in Europa übernahm man eine Reihe von Kulturpflanzen aus dem Nahen Osten. Auch dort wurden in jeder Siedlung mindestens zwei Getreidearten, Hülsen- und Ölfrüchte angebaut. Daher brauchte man mehrere Felder, die nebeneinanderlagen. Auch die Felder europäischer Ackerbauern dürften in ihrer Ausdehnung nicht strikt festgelegt gewesen sein, und man legte sie wohl an wechselnden Stellen innerhalb einer künstlich geschaffenen Lichtung an. Geht man von einer Bevölkerung von etwa einhundert Menschen in der Siedlung aus, so musste man ungefähr dreißig Hektar Land roden, um genügend Flächen für Ackerland zu haben. [106] Auf den Ackerflächen konnte man dann optimale Wachstumsbedingungen für Kulturpflanzen aus dem Nahen Osten simulieren. Sie wuchsen in der normalerweise niederschlagsreichsten Jahreszeit heran, nämlich im Mai und Juni; im Nahen Osten lag diese

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