Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Landnutzung für die Ausprägung von Landschaft
Bis zum Beginn der Nacheiszeit, die auch als Holozän bezeichnet wird, hatten natürliche Gegebenheiten allein Einfluss auf die Herausbildung von Lebensräumen; vor allem dem Klima und seiner Entwicklung kam eine große Bedeutung bei der Herausbildung von Vegetationszonen zu. Die Verteilung der Vegetation im Raum war entscheidend für die Entwicklung der Tierwelt: Viele Tiere lebten nur dort, wo sie bestimmte Futterpflanzen vorfanden, andere nur im Schutz von Wäldern, wieder andere nur außerhalb von Wald.
Durch die Ausbreitung von Wald nach der letzten Eiszeit änderten sich die Entwicklungsbedingungen von Lebensräumen von Grund auf: Damals reagierten Menschen auf die Veränderung ihres Lebensraumes dadurch, dass sie in immer mehr Erdgegenden dazu übergingen, Landwirtschaft zu betreiben und deswegen sesshaft zu werden. Von diesem Moment an bestimmten nicht mehr natürliche Bedingungen allein das Aussehen von Lebensräumen, sondern immer stärker wurde es durch die Art und Weise der Landnutzung durch den Menschen geprägt. Menschen reflektierten über die von ihnen ausgehende Nutzung des Landes: Landschaft wurde als ein Miteinander von natürlichen Gegebenheiten, Grundzügen der Landnutzung und der Gedanken entdeckt, die sich Menschen dazu machten.
Landnutzung wurde mit der Zeit zum dominierenden Faktor der Landschaftsentwicklung. Dies wird bei der Darstellung der aufeinanderfolgenden Landnutzungssysteme ebenso deutlich wie an der regelhaften Verteilung zahlreicher Grundelemente vonLandschaft im Raum. Aus Pollendiagrammen geht dieses Resultat ebenso eindeutig hervor. Veränderungen der Landnutzung betreffen die Entwicklung von Landschaft unmittelbar; sie sind daher leichter zu erkennen als Landschaftsveränderungen, die durch einen Wandel des Klimas ausgelöst sein können.
Die heutige Landschaft lässt sich als ein Resultat aus dem Nacheinander an verschiedenen Formen von Landnutzung auffassen. Diese Formen der Landnutzung waren Teil von Systemen. Bekannte Ressourcen wurden immer besser genutzt und weitere neu erschlossen, um stets aufs Neue Wachstumsgrenzen der eigenen Spezies zu überwinden. Dies macht einen wichtigen Teil der Sonderstellung des Menschen gegenüber anderen Lebewesen aus. Die Art und Weise der Gestaltung von Landschaft ist etwas spezifisch Menschliches. Landschaft als Kulturprodukt belegt insgesamt eine besondere Fähigkeit des Menschen, seine Umwelt zu beeinflussen und zu gestalten. Alle anderen Lebewesen und alle Bereiche der Erdoberfläche sind von diesem Handeln des Menschen abhängig geworden, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße. Daraus lässt sich eine kulturelle Verantwortung von Menschen für ihre Umwelt ableiten.
Die Aufeinanderfolge der Systeme von Landnutzung und Landschaft
Keines der Systeme, die sich aus Zusammenhängen zwischen Bevölkerungswachstum, Landnutzung und Landschaft ergaben, wurde komplett geplant. Vielmehr wurde jeweils mit einer einzelnen Maßnahme begonnen, die weitere Innovationen zur Folge hatte. Landwirtschaft zu betreiben mag sich aus Erfahrungen mit dem Sammeln von Pflanzen entwickelt haben. Man hielt zusätzlich Tiere, um einerseits weitere Nahrung und Rohstoffe (Wolle, Knochen) zu gewinnen, andererseits mit ihrer Hilfe Felder zu bearbeiten. Um Felder, Tiere und Vorräte dauernd beaufsichtigen zu können, errichteten Bauern feste Wohnsitze, Hütten oder Häuser.
Die Notwendigkeit, Felder künstlich zu bewässern, mag zumindestdazu beigetragen haben, dass zum ersten Mal Staaten und in Verbindung damit Zivilisationen entstanden, und zwar als Teile eines neuen Systems von Landnutzung, die sich erneut zu einem Ganzen zusammensetzten. Landreformen wurden ebenfalls nicht komplett geplant, sondern man begann mit einzelnen Maßnahmen zur Verbesserung der Nutzung von Wäldern und Agrarflächen. Ohne die Erfindung der Dampfmaschine und die Innovationen der Industrialisierung wären die Landreformen weitgehend eine Wunschvorstellung geblieben; mit diesen Innovationen fügte sich insgesamt ein einige Jahrhunderte lang erfolgreiches System von Landnutzung, Entwicklung der Menschheit und Prägung von Landschaft zusammen.
Die Systeme bestanden nicht nur nacheinander, sondern auch zeitweilig nebeneinander. Das ist sehr wichtig; denn dadurch traten die Unterschiede für die in beiden Systemen nebeneinander lebenden Menschen offen in Erscheinung. Doch es mangelte immer wieder an Verständnis für Menschen, die in das
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