Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
intensivere Nutzung immer weiter zurückgedrängt; in der Umgebung von ortsfesten Siedlungen kam es nicht mehr zu Sekundärsukzessionen von Wald. Im Zeitalter der Landreformen begann die Betreuung von Wald durch Förster. Nun wurde dafür Sorge getragen, dass möglichst viel Holz pro Flächeneinheit aufwuchs. Der Wald wurde erheblich dichter als in den vorausgegangenen Phasen der Landnutzung. Wälder sahen also im Lauf der Zeit immer wieder völlig anders aus.
Über die genaue Gestalt von Feldern bzw. Äckern in der Frühzeit des Ackerbaus wissen wir so gut wie nichts. Mutmaßlich entstanden sie immer wieder an anderer Stelle und waren nicht exakt begrenzt. In einer Feld-Graswirtschaft, wie sie wohl in der Anfangszeit des Ackerbaus bestand, bedeuteten Acker und Feld dasGleiche. Das war bei der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft nicht der Fall, die sich unter den Systembedingungen ortsfester Besiedlung herausbildete: Zu jedem Feld gehörten zahlreiche Äcker, die Besitz einzelner Bauern waren. Im Verlauf der Landreform wurden aus den schmalen Äckern früherer Zeit quadratische Feldblöcke zusammengefügt, die man sowohl Feld als auch Acker nennen kann; unter den Systembedingungen der reformierten Landnutzung bedeuten die Begriffe Feld und Acker das Gleiche.
Unter den Systembedingungen von Jägern und Sammlern war eine Siedlung mobil, bei nicht ortsfest siedelnden Bauern bestand sie für einige Jahrzehnte oder vielleicht auch Jahrhunderte. Sie war damit keineswegs auf Dauer gebaut, im Gegensatz zu einer Siedlung unter den Systembedingungen ortsfester Landnutzung. Zu einer stabilen Siedlung gehörten langfristig angelegte Spezialkulturen wie beispielsweise Obstgärten. Diese Siedlungen konnten einen geplanten Ortskern haben, zu vielen von ihnen gehörten zumindest zum Teil aus Stein gebaute feste Häuser und eine Kirche.
Auch unter den Systembedingungen ortsfester Siedlungen waren Wege und Straßen häufig noch nicht genau fixiert, sondern die Wagenspuren wurden immer wieder verlagert. Das galt umso mehr für vorausgegangene Systeme, in denen sie aber auch eine geringere Bedeutung hatten. Nicht völlig ortsfeste Ackerbauernsiedlungen ließen sich schwerlich in dauerhafte Verkehrs- und Handelswege einbauen, weil sie immer wieder verlagert wurden. Die Menge der Güter, die von solchen Dörfern von außen bezogen wurden, war sehr gering; es gab nur wenige Rohstoffe, die in eine solche Siedlung gelangen mussten, und ein Abgabensystem für Agrargüter war damals noch nicht etabliert. Völlig fixiert wurden Straßen erst unter den Systembedingungen der Landreformen.
Da unter den verschiedenen Systemzusammenhängen Wälder und Felder, erst recht Siedlungen und Wege nicht miteinander vergleichbar sind, lassen sich auch keine klaren Statistiken über ihre Entwicklung im Lauf von Jahrtausenden aufstellen. Beispielsweise kann eine Übersicht zur Flächenentwicklung von Wäldern seit dem Mittelalter kein korrektes Bild vermitteln: Dort werden dann nämlich Wälder, die beweidet und bäuerlich bewirtschaftetwurden, mit solchen verglichen, die unter dem Einfluss einer geregelten Forstwirtschaft standen und allein der Holznutzung dienten.
Der Einfluss der Abfolge von Landnutzungssystemen auf die Vegetationsgeschichte
Durch den Wandel von Landnutzungssystemen veränderten sich in den dadurch beeinflussten Landschaften die Häufigkeiten von Waldbäumen. Bestimmte Baumarten wurden durch die eine Form der Landnutzung gefördert, durch eine andere benachteiligt. Dies ist im Pollendiagramm klar zu erkennen, in dem die Entwicklung von Vegetation und Landschaft in den letzten Jahrtausenden dokumentiert ist.
In Abb. 16–1
sind in das an anderer Stelle (Kapitel 3) präsentierte Diagramm vier Phasen der Entwicklung der Vegetation eingetragen. In den Ablagerungen der Phase 1 ist kein Hinweis auf eine Beeinflussung der Landschaftsentwicklung durch Ackerbau feststellbar: Pollen von Getreide wurde nicht in den Torfschichten des Moores abgelagert. Die Menschen in der Umgebung des Moores lebten von der Jagd und vom Sammeln.
In Schicht 6, vor rund 6000 Jahren, finden sich zum ersten Mal Pollenkörner von Getreide in einer Torfschicht des Moores. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass in der Nähe des Moores nicht nur Getreide angebaut wurde, sondern auch eine Siedlung bestand. Die wenigen Pollenfunde von Getreide in Phase 2 des Pollendiagramms zeigen an, dass Siedlungen und Nutzflächen nur zeitweise existierten und dann wieder
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