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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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handelte es sich um ein gläsernes Auge in einem Nickelring, das im Zentrum einer ebenfalls verglasten Scheibe des Lokalisators installiert war. Ein regelmäßiges Zucken des »Schmetterlings« im Auge meldete, daß der außerhalb der Station befindliche Mensch normal atmete — überdies zeigte der leuchtende Streifen auf der in Segmente eingeteilten Scheibe des Lokalisators an, wo sich dieser Mensch befand. Der Leuchtstreifen kreiste entsprechend den Umdrehungen der Radarantenne, die auf der Kuppel angebracht war, und zeigte die schimmernden Konturen der näheren Umgebung der Station. Der Strahl, der wie ein Uhrzeiger kreiste, erhellte den Radarschirm — die Wellen wurden mehrfach zurückgeworfen, und der metallene Skaphander des Menschen erschien auf dem Schirm als Lichtschein von besonderer Stärke. Wenn man diesen länglichen, smaragdgrünen Fleck genau beobachtete, konnte man die Richtung kontrollieren, die der Mensch einschlug, denn er bewegte sich über einen schwächer leuchtenden Untergrund. Der obere Teil des Schirms entsprach dem Gelände unter dem nördlichen Gipfel, wo sich der Prüfschacht befand; die untere Hälfte zeigte die südliche Zone an, die zu den Abgründen führte und die des Nachts nicht betreten werden durfte.
       Der »atmende Schmetterling« und die Radarlokalisierung arbeiteten voneinander unabhängig. Der »Schmetterling« wurde von einem Sender betätigt, der mit den Sauerstoffventilen des Skaphanders verbunden war und auf einer Frequenz arbeitete, die nahe dem Infrarot lag, der Strahl des Lokalisators — auf der Einhalbzentimeterwelle. Die Instruktion sah vor, daß sich immer nur ein Mitarbeiter außerhalb der Station aufhalten durfte. Der andere hatte währenddessen das »Auge« und den Lokalisator zu beobachten. Bei einem Unfall war er selbstverständlich verpflichtet, dem Kameraden auf dem schnellsten Wege zu Hilfe zu eilen.
       In der Praxis galt das Auswechseln der Klischees im Schacht als ein harmloser, kurzer Ausflug. Der Zurückbleibende konnte, wenn er die Küchentür und die Tür zur Funkstation öffnete, die Apparatur beobachten, ohne das Kochen zu unterbrechen. Es war auch möglich, eine Sprechverbindung über Funk aufrechtzuerhalten, mit Ausnahme einiger weniger Stunden vor dem Morgengrauen, denn das Nahen des Terminators, der Grenzlinie zwischen Tag und Nacht, kündigte sich durch einen Hagel von Geräuschen an, die ein Gespräch unmöglich machten.
    Pirx untersuchte gewissenhaft das Spiel der Signale. Wenn die Klappe geöffnet wurde, leuchtete das rote Lämpchen am Schaltpult auf. Der grüne »Schmetterling« leuchtete, aber er bewegte sich nicht, und seine »Flügel« waren zu schmalen Fäden zusammengeschrumpft — es fehlten die Signale von außen. Der Strahl des Lokalisators kreiste regelmäßig auf der Scheibe und beschwor darauf die unbeweglichen Silhouetten der felsigen Umgebung. Er erstrahlte an keiner Stelle seines Umlaufs und bestätigte die Meldung des Atmungszeigers, daß sich kein Skaphander in seinem Wirkungsbereich befand.
       Es versteht sich von selbst, daß Pirx die Apparatur besonders interessiert beobachtete, wenn Langner hinausging, um die Klischees auszuwechseln.
       Das rote Lämpchen flammte auf und verlosch — Langner schloß die Klappe von außen. Der grüne »Schmetterling« begann zu pulsieren. Das Pulsieren beschleunigte sich nach wenigen Minuten unerheblich, denn Langner ging ziemlich rasch den Hang hinauf und atmete stärker. Der helle Schein seines Skaphanders war auf dem Schirm bedeutend länger zu sehen als die Felskonturen, die sogleich verloschen, wenn der Leitstrahl vorüber war. Dann schrumpfte der »Schmetterling« plötzlich und klappte die Flügel zusammen — der Schirm war leer, der Schein des Skaphanders verschwand. Langner war in den Schacht gestiegen, dessen Bleiwände den Strom der Signale abschnitten. Gleichzeitig flammte auf dem Hauptschaltbrett purpurn das Wort ALARM auf, und das Bild, das im Lokalisator zu sehen war, änderte sich. Die Radarantenne, die immer noch mit der gleichen Bewegung kreiste, verringerte ihren Neigungswinkel, um nacheinander immer weitere Segmente des Geländes zu durchkämmen. Das geschah, weil die Apparatur nicht wußte, was sich ereignet hatte: der Mensch war plötzlich aus dem Bereich ihrer elektromagnetischen Macht verschwunden. Nach drei, vier Minuten begann der »Schmetterling« wieder zu fächeln, das Radargerät fand den Verlorenen wieder, beide voneinander unabhängigen

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