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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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hätten«, sagte Taurow. »Einerseits müssen wir der Technik vertrauen. Ohne elektronische Geräte könnten wir auf dem Mond keinen Schritt machen. Aber... Aber manchmal muß man solch ein Vertrauen teuer bezahlen...«
    »Das stimmt«, sagte Langner. Er stand auf. »Ich muß Ihnen sagen, meine Herren, wodurch mir mein Sterngefährte am meisten imponiert hat. Was mich betrifft, so bin ich von diesem halsbrecherischen Spaziergang so ziemlich ohne Appetit zurückgekehrt. Aber der hier« — er legte die Hand auf Pirx' Schulter —, »aber der hier schlug sich, nach allem, was passiert war, die Eierkuchen in die Pfanne — und aß sie alle auf. Damit versetzte er mich in Erstaunen! Denn daß er scharfsinnig ist und außerdem anständig bis zur Rechtschaffenheit, das habe ich schon vorher gewußt...«
    »Wie bitte?« fragte Pirx.

Die Wonnen der Psychemie

    4. 10. 2039. Drei Uhr morgens. Ich schreibe dies todmatt und mit gramgebeugter Seele. Der Professor verspätete sich ein wenig, so daß ich im Restaurant eine Weile auf ihn wartete. Zu Fuß kam er an; ich erkannte ihn von weitem, obwohl er jetzt weit jünger ist als im vorigen Jahrhundert: auch Brille und Regenschirm führt er nicht mehr mit sich. Bei meinem Anblick schien er bewegt.
       »Wie? Sie gehen zu Fuß?« — fragte ich. »Etwa gar eine Störrung?« (d. h. Störrischwerden eines Autos; derlei kommt vor).
       »Nein« — entgegnete er. »Ich bewege mich lieber per pedes apostolorum.«
       Doch dabei lächelte er ganz eigentümlich. Als die Kelputer abtraten, begann ich ihn nach seinem täglichen Leben auszufragen, aber sofort entschlüpfte mir auch ein Wörtchen über den Halluzinationsverdacht.
       »Hören Sie auf, Tichy, wieso denn Halluzination?« — protestierte der Professor. »Ebensogut könnte ich Sie verdächtigen, meine Fata Morgana zu sein! Sie haben sich einfrieren lassen? Ich auch. Sie sind aufgetaut worden? So auch ich. Mich hat man überdies verjüngt, nun ja, Rejuvenil und Entkalker... Sie, mein Freund, haben das nicht nötig, aber ich... Ohne diese Generalüberholung könnte ich heute nicht als Zukundler tätig sein.«
       »Als Futurologe?«
       »Diese Bezeichnung bedeutet jetzt etwas anderes. Der Futurologe erstellt Fupros — Zukunftsprognosen —, während ich mich mit der Theorie befasse. Das ist etwas völlig Neues; zu unserer Zeit war das noch nicht bekannt. Man könnte sagen: sprachseitige Zukunftsvorhersage. Linguistische Prognostik!«
       »Nie gehört. Was ist das?«
       Ich fragte, ehrlich gesagt, eher aus Artigkeit als aus Neugier, aber das bemerkte er nicht. Die Kelputer brachten uns die Vorspeisen. Zur Suppe nahmen wir 1997er Weißwein; das ist ein guter Jahrgang Chablis, den ich schätze; deshalb hatte ich ihn ausgewählt.
       »Die linguistisch orientierte Futurologie erforscht die Zukunft an Hand der Umformungsmöglichkeiten der Sprache« — erläuterte Trottelreiner.
       »Ich verstehe nicht...«
       »Der Mensch vermag nur das zu bemeistern, was er verstehen kann; verstehen kann er hinwiederum nur, was sich aussagen läßt. Das Unsagbare ist unfaßbar. Wenn wir die weiteren Entwicklungsstadien der Sprache erforschen, dann finden wir heraus, welche Umwälzungen in der Lebensweise, welche Entdeckungen und Wandlungen diese Sprache künftig wird abspiegeln können.«
       »Sehr merkwürdig. Wie sieht das in der Praxis aus?«
       »Die Forschungen betreiben wir mit Hilfe der größten Computer, denn der Mensch kann nicht eigenhändig sämtliche Varianten ausprobieren. Es handelt sich hauptsächlich um die syntagmatisch-paradigmatische, aber gequantete Variativität der Sprache...«
       »Professor!«
       »Verzeihen Sie. Köstlich, dieser Chablis. Am besten werden Ihnen ein paar Beispiele die Sache erläutern. Bitte, nennen Sie mir irgendein Wort.«
       »Ich.«
       »Ich, ja? Hm. Ich. Gut. Sie verstehen, ich muß jetzt gleichsam die Stelle des Computers vertreten, das wird also sehr simpel ausfallen. Nun denn - ich. Ichsicht. Dich. Dichsicht. Uns. Unsricht. Sehen Sie?«
       »Gar nichts sehe ich.«
       »Wie das? Es handelt sich um das Verschmelzen von Ichsicht und Dichsicht, das heißt, um den Verbund zweier Exemplare von Bewußtsein. Dies fürs erste. Zweitens — Unsricht. Sehr interessant. Das ist kollektives Bewußtsein. Na, zum Beispiel bei starker Persönlichkeitsspaltung. Bitte ein anderes Wort.«
    »Bein.«
       »Gut. Was geht mit dem Bein? Beinler.

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