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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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zu laut, als er schon neben Jakob auf dem Gehweg stand und auf den Wagen deutete, aus dem jetzt zwei weitere Männer kletterten: »Was?«
    Der erste der beiden Männer hatte einen Schreibblock in der Hand, der andere eine Kamera dabei. Albert beobachtete, wie Uppenborn seinen Onkel erwartungsvoll ansah, der langsam fragte: »Von Benz?«
    »Erraten!«
    »Gratuliere.«
    »Dafür nicht«, fand Uppenborn, und fünf Jahre später sagte Alberts Mutter, Uppenborn habe schon das sehr überheblich gesagt. Er fragte: »Darf ich Ihnen die Herren der Münchner Neuesten Nachrichten ...«
    Jakob gab zuerst dem Schreibblock, dann der Kamera die Hand, und zwar, wie man Totengräbern die Hand gibt: »Einstein.«
    »Neumayr«, antwortete der erste mit einem harten Blick. Er drückte grob zu. Der zweite sah Jakob freundlich in die Augen und sagte sanft: »Bauer.«
    »Ein paar Minuten haben wir wohl noch«, schätzte Uppenborn richtig, »bis die Kollegen aus London da sind. Hoffe bloß, die haben ihre Uhren richtig gestellt.«
    Was er zur Krise der Elektrotechnik meine, fragte Neumayr schon und notierte Jakobs unverzögerte Antwort: »Herbeigeredet.« Neumayr hauchte sich in die Handfläche und wartete auf eine Erklärung.
    Der Fortschritt, so Jakob erst zögerlich und dann mit wachsendem Nachdruck, lasse sich ganz sicher nicht aufhalten. Der Witz bestehe ja schließlich darin, dass er ausgesprochen billig sei, mehr noch als billig: »Wir bekommen den Fortschritt geschenkt, wissen Sie, ein Riesengeschenk, das da kommt. Das ist alles geschenkt. Kaum zu glauben eigentlich.«
    »Der Fortschritt.«
    Nicht nur Albert fiel auf, dass Jakob wiederholte: »Der Fortschritt.«
    Hermann stieg jetzt auch aus, Bauer hatte schon zwei Fotos von Jakob gemacht. Aus der Kutsche heraus sah Albert, wie der Rauch des Blitzlichtes auch beim zweiten Mal in der Luft ein Stück aufstieg, sich nach außen stülpte und dort wieder herabsank, wie ein Pilz stehen blieb und ganz langsam in Richtung des Eingangs der Versuchsstation schwebte, bevor er sich auflöste. Nach dem dritten Foto von Jakob zerstörte Bauer den neuen Rauchpilz mit der Hand, als wäre es eine Einbildung, und Hermann sagte: »Ja.«
    »Die Arbeiterklasse in England ...«, begann Neumayr, kam aber nicht weiter, denn Jakob schnitt ihm das Wort ab: »Sogar deren Lage hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verbessert.« Zum Glück bestehe die Welt aber nicht bloß aus Engländern und England, wo offenbar schon immer jeder gegen jeden Krieg geführt habe. »Aber selbst England«, meinte Jakob, »und gerade England hilft der Fortschritt doch am meisten.« Später behauptete er, dem Satz absichtlich Zeit gelassen zu haben, damit er seine Wirkung entfalten konnte. Dann fügte er an: »Kaum ein Land, das den Fortschritt nötiger hatte, besser gebrauchen konnte und dem er besser bekommt als ausgerechnet England.«
    Alle sahen ihn an.
    »Die haben halt keinen Bismarck, der ...«
    »Was halten Sie vom Wechselstrom?«, wollte Neumayr wissen, ohne dabei zu warten oder aufschauen und das Kritzeln auf dem Block unterbrechen zu müssen.
    »Kurzlebig«, sagte Jakob trocken und richtete sich auf, »keine Perspektive.«
    Neumayr blickte nun vom Block hoch, wartete gespannt und steckte Albert damit an, obwohl der sich dagegen wehren wollte. Er mochte den Journalisten nicht.
    Jakob war laut Aussage beider Frauen ungeduldig, wenn nicht ungehalten: »Wegen der Probleme mit der Isolation. Das hat Edison mit seinen Vorführungen doch gezeigt. Wie gefährlich der Wechselstrom von Westinghouse und Tesla ist. Sie kennen das?«
    Weil das Gespräch ihn nicht interessierte und er wusste, dass er sich das nicht anmerken lassen durfte, sah Albert durch das Heckfenster in den Abendhimmel. Die ersten Sterne funkelten gerade durch das dünner werdende Zelt des Tageslichts. Der eine oder andere Stern, der sich zeigte, war längst erloschen, nur seine Lichtstrahlen waren noch unterwegs, aber wenn jemand irgendwo dort oben war, dann sah er die Strahlen von der Erde genauso verspätet und konnte beobachten, was Albert und die anderen gestern gemacht hatten, oder vorgestern oder letztes Jahr. Oder wie alles aussah, bevor er auf die Welt gekommen war.
    Albert sah zu Höchtl hinüber, der einsam und traurig auf dem Bock saß und den Pferden etwas zuflüsterte. Beide bewegten die Ohren aufmerksam, vielleicht belustigt, wenn er zischende und schnalzende Geräusche machte. Pauline sah Albert lächeln.
    »Er hat einen Elefanten

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