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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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grundsätzlich schlecht gelaunt oder pessimistisch gestimmt, wie sich später alle übereinstimmend erinnerten, aus der Einfahrt.
    Mit großen Augen sah er seine Mutter an, bevor er verneinte. Sie band ihm den Schal neu, verlegte das lange Ende sorgfältig in das Innere des Mantels und schloss den obersten Knopf. Jakob rauchte eine Zigarre. Der Qualm gefiel Albert erst, dann legte er sich ihm störend auf die Brust.
    Nach zehn oder fünfzehn Minuten wortloser Fahrt, auf der Albert sich nicht darum kümmerte, wo entlang sie fuhren, hielten sie plötzlich. Er stand auf, um aus den Fenstern sehen zu können: Sie waren an der Versuchsstation. Ausgerechnet hier, wo die Lampen probiert worden waren, traf man sich also mit Uppenborn, dessen Name in Alberts Ohren schon lange Alarm auslöste und jetzt doppelt laut schepperte. Hier wurden die Berichte geschrieben, die über Aufträge und Abnahmen entschieden und um die es täglich Streit gab.
    Sie waren die Ersten. Jakob stieg aus. Albert konnte sehen, wie sein Onkel in die Luft paffte und immer wieder zum Eingang der Versuchsstation sah. Sie war verschlossen, die Scheiben waren innen vereist, niemand war im Haus. Vor ein paar Wochen erst hatte Albert hier an den Instrumenten gesehen, dass die Lichtstärke im doppelten Abstand nur noch ein Viertel betrug, »weil«, so Jakob damals vor den anderen zu Albert, »Licht sich im Äther wie eine Kugelwelle ausbreitet, genauso wie die Wellen im Walchensee, wenn du einen Stein hineinwirfst«.
    »Eher wie der Schall«, hatte Albert gesagt, »die Wasseroberfläche ist ja ganz flach.«
    »In drei Richtungen, stimmt«, hatte Jakob nur gesagt, »aber ansonsten gerade nicht wie der Schall.«
    Albert war klar, dass er in dem Moment nicht weiter fragen konnte.
    Dass jedenfalls die Oberfläche einer Kugel mit doppeltem Durchmesser, hatte Jakob dann zu erklären angefangen, was sein Neffe schneller als er beendete: »viermal so groß« sei.
    Die anderen waren von der Konkurrenz amüsiert, besonders Uppenborn.
    »Die Lichtstärke muss sich auf der Kugel gleichmäßig verteilen«, blieb Jakob noch zu sagen.
    Nichts Neues für Albert.
    Aber was, fragte er sich jetzt still in der Kälte wartend, hat eine Kugelwelle im Äther mit einem Strahl zu tun, der morgens gerade wie nichts anderes in der Welt durch die Ritzen der Läden ins Zimmer schießt? Nie wussten die Erwachsenen, wovon sie redeten, und auch das wussten sie nicht.
    Albert betrachtete seinen jetzt stumm paffenden Onkel aus der Berline heraus, vielleicht würde ja etwas auffallen an ihm. Aber da war nichts. Jakob Einstein wartete nur.
    Die beiden Frauen sagten und taten ebenso wenig wie Hermann. Nur ein mattes »kalt« gab Ida von sich. Dazu hauchte sie sich in die Handmuscheln. Hermann nickte entschlossen. Die Frauen hielten ihre auf den Schößen stehenden Taschen fest und sahen einfach geradeaus, bis Jakob plötzlich aufhörte zu atmen. Alle bemerkten das sofort und sahen zu ihm herüber, der wie eine Wachsfigur mit der Zigarre vor dem Mund stillstand, dann sahen sie in die Richtung, in die er blickte. Von dort näherte sich ein für Albert unbekanntes, in sich wiederkehrendes Geräusch. Eine kaputte Felge war das nicht, dafür wiederholte es sich viel zu oft, und auch kein trockenes oder schon berstendes Radlager. Es war eher etwas mit Dampf oder einem kaputten Blasebalg oder etwas schnell Drehendes und dabei Schlagendes. Beim Näherkommen blieb es fast vollkommen gleich.
    Die unterdrückte Aufregung von Jakob, der jetzt die Hand mit der Zigarre sinken ließ, übertrug sich auf die gegen die Fahrtrichtung sitzenden Frauen. Sie konnten ohne Weiteres aus dem Rückfenster sehen und fassten ihre Taschen neu, als könnten sie herunterfallen. Albert sah den Mund seiner Mutter offen stehen.
    Das Geräusch kam ganz nah und verstummte gerade metallisch klappernd, als Albert mit den Knien auf die Bank geklettert war, um wie die anderen nach hinten zu sehen.
    Friedrich Uppenborn stieg aus einem noch im fahlen Licht an mehreren Stellen aufblitzenden Wagen, der vorne nur ein Rad hatte und vor dem keine Pferde waren. Nicht mal eines.
    »Was ist das«, fragte Albert, und seine Mutter sagte: »Ein Motorwagen.«
    Mit einer Leichtigkeit, die Albert imponierte, sprang Uppenborn auf die Straße.
    »Herr Einstein!«, rief er aus einem Abstand von so wenigen Metern, dass seine Lautstärke durch nichts, was Albert gekannt hätte, gerechtfertigt war.
    7 Der Kuss
    »Fabelhaft«, rief Uppenborn immer noch viel

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