Die Entdeckung des Lichts
es sich in brennbare Gase, Öl, Wasser, Kohle, Erden und Salze auf. Im natürlichen Zustand verbreite es einen angenehmen Geruch, der alle einschließe, die ihm nahe kämen, und im Innern sei, wie in einem gut gefüllten Laborbuch, alles, was eigenartig und wertvoll genug dafür war. Dem Finder wolle er gern eine Belohnung zahlen ...
In das Notizbuch, das unter den Mitgliedern der City Philosophical Society herumging, schrieb er zwischen eine Tabelle der spezifischen Gewichte von Platin bis Chrom und eine dreiseitige Umrechnungstabelle der englischen und französischen Einheiten von Länge, Fläche, Kapazität und Gewichte ein Gedicht. Wie immer war das Thema am Rande der Seite senkrecht angegeben. Es handelte sich um Liebe :
Welch Pest und Plage befällt den menschlichen Leib?
Und welchen Fluch bringt meistens ein Weib?
– Die Liebe
Welch Kraft stört des Mannes klaren Verstand?
Und was enttäuscht den eignen süßen Tand?
Was kommt daher in trügerischem Kleid,
Und macht zum Narr, wer eben noch war gescheit?
– Die Liebe
Was lässt den besten Freund bald Gegner sein?
Wessen Versprechen treten niemals ein?
Was fasst kein Kopf, sei er noch so intelligent,
auch wenn es selbst der dümmste kennt?
– Die Liebe
Was treibt des Irren heißes Verlangen an,
dem jeder Esel leicht widerstehen kann?
Was scheut der Kluge jetzt und immerdar,
auch wenn es ewig in der Welt schon war?
Auch unter der letzten Zeile fand sich die Antwort. Durch einen waagerechten Strich war das nächste Thema abgegrenzt, das er wieder senkrecht an den Rand schrieb: Wunder . Das Wunder sei eine Pause im Argumentieren, ein plötzliches Innehalten des mentalen Fortschritts, das nur so lange anhalte, wie das Verständnis sich auf eine einzelne fixe Idee konzentriere. Das Wunder sei zu Ende, wenn das Verständnis genug Kraft habe, das Objekt in seine Teile zu zerlegen und von der ersten Erscheinung bis zur letzten Konsequenz zu bezeichnen.
Davy machte ihn mit Abia Colburn bekannt, dem Vater eines mathematischen Wunderkindes: Zerah. Der Junge verfügte über ein Gedächtnis wie kein zweiter. Vater Colburn und sein dreizehnjähriger, rothaariger, Französisch, Deutsch und Latein sprechender Sohn waren Amerikaner. Sie tingelten durch England. Der Sohn gab seine Rechenkünste vor Publikum zum Besten, und nach einem Gespräch und einer Vorführung war Faraday, um es vorsichtig zu sagen, beeindruckt. Sie multiplizierten 642 mit 539, nahmen 2731 zur dritten Potenz und zerlegten 7 6426 in Faktoren. Ohne selbst richtig erklären zu können, welche Tabellen und Methoden er benutzte, war Colburn immer Größenordnungen schneller. Faraday fühlte sich wie ein Gehbehinderter, dem der größte lebende Bergsteiger wohlwollend zeigt, wie man besonders elegant auf den Gipfel kommt: Niemals selbst beherrschen zu können, was ihm demonstriert wurde, war etwas vollkommen Neues. Präzise und extrem langsam entfaltete dieses Erlebnis seine Wirkung. Es sollte sehr fruchtbar sein.
Einen Monat verbrachte Faraday mit John Huxtable, einem Freund aus wissenschaftlichen Diskussionen, in Devon. Seiner Mutter schrieb Faraday von da, es gehe ihm an der Luft viel besser, er habe viel mehr Kraft, und die in London in letzter Zeit schlecht verheilenden Narben seien nun kaum noch zu sehen.
Das Landleben gefiel ihm, die Leute waren freundlich. Einmal begleitete ihn ein Mädchen auf einer Wanderung, um mit ihren Ortskenntnissen zu dienen. Sie sprach nur Walisisch, und doch hatte sich auf der gemeinsamen Wanderung zu einem Wasserfall ein Einverständnis eingestellt, das er bislang nicht gekannt hatte: Sie immer voran, plappernd, er hinter ihr her, zwischen Zweigen, Büschen, Ästen und auf sehr interessante Weise an Blättern abperlenden und dann in sich schwingenden, auf diversen Parabeln fallenden Wassertropfen. Sie zersprangen kein bisschen weniger interessant auf verschiedenen Oberflächen in verschiedener Weise zu wiederum kleineren Tropfen auf ihren Flugbahnen.
Ohne weiter Parabeln analysieren zu müssen, sah Faraday den kleinen Körper seiner Führerin interessant gehen und zum Teil, ja, ansatzweise wippen, um Biegungen des Weges verschwinden und zum Glück wieder auftauchen, wenn er folgte. Manchmal hielt sie an, sie war barfuß und zeigte ihm, der keineswegs barfuß war, wo er hintreten konnte und wo nicht, und dann ging sie schon wieder weiter, ein Bündel aus Beweglichkeit und aufgeregtem Frohsinn. Gezogen wurde Faraday von etwas Unbekanntem, er wurde nicht
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