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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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Brief an einen Freund, es wäre für beide besser gewesen, sie hätten sich nie getroffen.
    Im Nirgendwo der Wiesen und Wälder und wenigen Hügel, wie sie östlich von Paris unter den immer gleichen Regenwolken immer gleich aussahen, campierte Wellington, nahe dem nie gehörten Dorf Waterloo. Er wartete. Dann kamen die Franzosen und sondierten das Gelände. Es regnete viel in der Nacht, und die Franzosen warteten auch, zum Glück aller anderen. Die Wiese sollte noch ein wenig abtrocknen, bevor man sich ans Sterben machte und an die Wette, wer unterlag. Als die Schlacht, in deren Mitte ein Pachthof mit der Gastwirtschaft Belle Alliance lag, schon eine Weile lief, schlecht lief für England, wünschte Wellington, »es werde Nacht oder die Preußen kämen«.
    Prompt kamen sie.
    Während Wellington unablässig hin- und herpreschte und seine Leute motivierte, sortierte und dirigierte, schaute Buonaparte im Sattel seines Schimmels von einer Anhöhe aus zu. Er hielt die Zeit für das große Element zwischen Masse und Kraft, und Wellington glaubte, »dass Buonaparte etwas sieht, das ich nicht sehe«.
    Dann ritt der Franzose zum letzten Mal einen Hügel hinunter in eine Schlacht, und alle hielten den Atem an: Mit seinem Pferd bildete er eine so galante Einheit, dass er zur Verblüffung der anderen das Fernrohr am Auge behalten konnte.
    Vier Tage später erfuhr London von seiner letzten Niederlage. Am 22. Juni wurden um zehn Uhr morgens die Kanonen des Towers gefeuert. Die Menschen strömten in die Parks und feierten, Börsenkurse stiegen, obwohl kaum jemand im Saal blieb. Öffentlich und privat wurden Feuerwerke gezündet, sie erhellten die Nacht. Stimmen, die in Buonaparte noch einmal auch etwas Besonderes sehen wollten, eine Begabung für Höheres, einen, der Europa vorangebracht hätte, gingen unter. Davy wollte sofort zurück nach Rom und Neapel und bot Faraday an, mitzukommen. Faraday hätte auch abgelehnt, wenn Lady Jane Davy nicht dabei gewesen wäre.
    Er zog sich in das Labor im Keller zurück. Er wurde die rechte Hand von Professor Brande, der nicht so flamboyant und eloquent war wie Davy und dessen Experimente niemals fehlschlugen.
    Davy reiste. Mal war er in Schottland, dann in der Toskana. Er sandte Steine, Gase und Flüssigkeiten zur Analyse. Er ließ Faraday Briefe zukommen, die er kopieren und versenden, Artikel, die er prüfen, ausformulieren, illustrieren und einreichen und korrigieren musste. Davy beauftragte ihn mit Besorgungen in der Stadt, die von der Beschaffung toter Fliegen zum Angeln über Tee bis zur Bestellung von anzufertigenden Geräten reichten, die Davy zum Experimentieren benötigte.
    Offiziell war Faraday Assistent und Kommissar der Apparate und der Mineralogischen Sammlung. In den Publikationen erhielt er regelmäßig Danksagungen für seine »sehr fähige Assistenz«. Er führte das Laborbuch, betreute das Journal der Institution und nahm kommerzielle Aufträge für chemische Analysen an. Davy, der schon am Tag nach ihrer Rückkehr die Berufung zu einem der Manager der Royal Institution ohne unnötiges Zieren angenommen hatte, ließ erfreut als Gerücht herumgehen, was Faraday in Paris noch entgangen war: Buonaparte habe sich schon sehr enttäuscht gezeigt, welch schlechte Meinung von den französischen Kollegen Davy zur Schau gestellt habe. Im Keller versuchte Faraday, seine Ideale am Leben zu halten, während es im Parterre darüber viel Gelächter gab und noch mehr Zufriedenheit.
    Abends ging Faraday in diesem ersten einer Reihe sehr kalter Sommer manchmal an die Themse, wenn er Zeit dazu fand. Oft war das nicht. Beim Blick auf das langsam fließende Wasser träumte er, wie er auf der Reise beim Blick von der Kutsche in die Landschaft geträumt hatte. Immerhin hatte er eine Arbeit, die nicht schlecht war, die jeder andere gern gehabt und gemacht und beherrscht hätte. Aber was, wenn das alles war?
    Doch das war es nicht: Im Herbst 1815 rauschte Davy ins Labor, mit einem Stapel Papiere unter dem Arm und dem Befehl, sofort alles beiseite zu legen. Auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes breitete Davy eine Zeichnung aus. In Sheriff Hill hatte es, das ließ er Faraday dabei wissen, eine weitere Explosion in einer Kohlenmine gegeben. Zwar gab es »nur elf Tote«, aber oben auf dem großen Papier standen in Davys Handschrift noch andere Namen: »Newbottle siebenundfünfzig« zum Beispiel. Seafield, Hebburn und Percy Main waren ohne Zahl. In Brandling Main hatten zweiundneunzig Männer

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