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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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Ja, das hatte er schon gedacht, aber jetzt war es ein gewohnter Gedanke, der nicht mehr hinterfragt werden musste, sondern auf den nächsten wartete, auf den, der danach kam. Faraday wollte Ørsted vergessen, weil Ørsteds Versuch zu kompliziert war und ihn ablenkte. Man musste eine Apparatur bauen, die dem Draht genau jene Bewegungsfreiheit gab, die Gott ihm zugewiesen hatte, wenn der Strom angestellt wurde. Man musste ihm freie Hand lassen.
    »Wie«, fragte er in den Wind, »zieht das Magnetfeld an der Nadel, wenn sie sich schon im rechten Winkel gestellt hat?«
    Antwort: »Gar nicht.«
    »Und wie am Draht?«
    Antwort: »Gar nicht. Es zieht ja nur am Strom im Draht, denn ohne Strom passiert nichts.«
    Ein paar Meter weiter blieb er stehen: So weit waren Davy und Wollaston auch schon gewesen, aber es machte nichts, die Schritte noch einmal zu gehen, langsam und achtsam. Er drehte um, ging wieder Richtung Blackfriars Bridge, jetzt dem späten Tageslicht entgegen. Er mochte den Geruch des Flusses trotz des Drecks und mochte auch, wenn der Wind darüberfuhr und die Wasseroberfläche kräuselte. Vor Augen hatte er das Kabel und den Magneten, und er wollte Ordnung in die Welt bringen. Ampères mathematische Betrachtungen drückte er beiseite, er verstand sie nicht. Was geschähe mit einem zum Halbkreis gebogenen Draht, der über dem aufrecht stehenden Magneten positioniert würde? Das wäre immerhin etwas symmetrischer. Seine Gedanken stocherten in der Leere zwischen den wenigen Fakten herum und fanden keinen Halt. Das war vollkommen normal für ihn. Er ging nach Hause, legte sich hin und schlief mit Kabel und Magnet und Sarahs Hand am Hosenbund ein.
    Am nächsten Morgen kam Sarahs kleiner Bruder George, der vierzehn war, um mit ihm Zeit im Labor zu verbringen. Einen Halbkreis hatte er wieder verworfen, der Strom flösse ja bezüglich des Magneten in zwei Richtungen. Er hatte überlegt, ob er einen metallischen Hut bauen sollte, den er über den Magneten stülpte und mit Strom versorgte, aber dann könnte ein Querstrom fließen, ohne dass der Hut sich bewegen musste.
    »Coulomb hat immer gesagt«, berichtete Faraday seinem jungen Schwager, »dass Magnetismus und Elektrizität sich nicht durchdringen. Jetzt fragen wir uns, wie sie sich durchdringen.«
    »Und?«
    »Irgendwo muss eine Brücke sein.«
    George überlegte, wie so eine Brücke aussehen konnte, sie war sicher nicht so wie eine der Brücken über die Themse, aber andere kannte er nicht. Er wollte nicht stören und atmete flach, als Faraday einen sehr dünnen Draht in die Hand nahm und versuchte, die Drehung zu sehen, die Wollaston annahm. Er hängte den Draht, an dessen Ende er einen Haken mit einem kleinen Hut befestigt hatte, auf eine Spitze, sodass er sich drehen konnte. Die Aufhängung war weit genug vom Magneten weg, um keine Störungen zu erzeugen. Unten ragte er in das Quecksilberbad, das den Stromfluss ermöglichte und in dem der Magnet stand.
    Es gab die Drehung jedoch nicht, Faraday sah nur, dass am Draht gezogen wurde. Wie gezogen wurde, sah er nicht gut. Das Hütchen hakte auf der Spitze, oder die Batterieleistung war nicht stabil. Er schmirgelte die Spitze, das Hütchen drehte sich leichter. Aber der Draht war auch nicht gerade genug. Er baute den Draht aus, um ihn erneut glatt zu streichen, was nicht gut genug gelang. Umständlich versuchte er ihn mit einem Gewicht glatt zu ziehen, dann erhitzte er ihn dafür, bevor er zufrieden war und die Apparatur wieder zusammenbaute. Unter Strom sahen sie jetzt kaum noch einen Willen zur Bewegung.
    Also andersherum: Nicht gerade, sondern auf kontrollierte Weise ungerade musste der Draht sein, um sein Geheimnis zu verraten. Faraday drückte eine Beule in den Draht, eine Delle. Die könnte ihm anzeigen, in welche Richtung das Magnetfeld zog! Er stellte den Strom an, und statt sich um sich selbst rotieren zu wollen, drehte der Draht in eine Richtung, bis sich die Delle tangential zum Kreis um den Magneten stellte. So blieb er stehen: Er zeigte exakt senkrecht von den Linien weg, welche die Eisenspäne des Magneten bildeten.
    Konnte das sein?
    George hörte seinen Schwager Laute von sich geben und sah ihn das Vorgehen an verschiedenen Stellen des Magnetfeldes wie-derholen, indem er den Halter mit der oberen drehbaren Aufhängung unten im Quecksilberbad verschob. Immer dasselbe Ergebnis. Natürlich. Der Magnet hatte keine ausgewählten Seiten, die einzige Auswahlrichtung war die Richtung des Stroms, sie legte alles

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