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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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ihn. Obwohl St. James’s nur wenige Fußminuten von der Institution entfernt lag, war er lange nicht dort gewesen. Den Mantelkragen hochgeschlagen und frisch frisiert querte er von der King Street kommend den Platz diagonal zur Südseite und wurde auf sein Klopfen umgehend eingelassen.
    Die hohen Decken ähnelten denen der Institution , aber ein Vergleich verbot sich durch die teure Ausstattung. Jetzt merkte er, auf welch dünnem Eis er sich zu bewegen versuchte. Aber zu spät. Die Hausherrin, nach welcher der Diener geläutet hatte, kam in einem Furor aus Stoff, Haar, Schmuck und Düften, deren Existenz er nicht geahnt hatte, die Treppe herunter, auf das Herzlichste lächelnd, die Hand reichend. Sie bat ihn in den Salon, dessen Fenster zur Pall Mall gingen. Im Luftwirbel hinter ihrem Körper entfalteten sich die Düfte, als er ihr brav folgte. Noch nie war ihm seine Körpergröße so sehr aufgefallen wie jetzt: Er war ein sehr kleiner Mann. Mit ihrer auffallend schmalen, weißen Hand wies sie ihm einen Platz am Teetisch zu, einen Sessel. Sie lächelte dosiert, jetzt setzte sie sich auf das zweisitzige Sofa. Spitzbübisch schaute sie ihn an, fand er und fühlte, dass etwas fehlte. Es war die überfließende Emotion ihrer Briefe, auf die Faraday sich innerlich gestützt hatte. Ihm war kalt. Ihrer Wirkung war sie sich so sicher, dass sie darüber niemals nachdachte.
    Faradays Augen suchten ihren Hals ab, und er bemühte sich angestrengt, das zu unterlassen. Hatte er nicht Dutzende Male darauf bestanden, ein alter Mann zu sein, den jedes Gespräch überforderte? Was hatte ihn dazu gebracht, entgegen lang gepflegter Gewohnheit die Einladung einer jungen reichen Dame anzunehmen, dieser Dame?
    »Sie müssen wissen«, begann er, ohne sie anzusehen, »ich bin ein einfacher Mann, mein Vater war Schmied in Westmorland, bevor er nach London kam.«
    Das sei ihr gewiss bekannt. Der Diener brachte einen Wein, den sie probierte. Sie nickte Faraday zu, er sollte dasselbe tun. Schnell kam er dem nach, und sie hielten sich die Gläser entgegen.
    Während sie sprach, betrachtete er nervös ihre Haut, sah, wie sich ihre Knochen und Muskeln darunter bewegten. Hatte er über ihr Alter gar nicht nachgedacht? Nein. Er hatte über gar nichts nachgedacht. Aber wann war das, dass er so jung gewesen war, wie sie ihm jetzt schien? Hektisch suchte er nach etwas, das ihn anbinden konnte an die Welt, in der diese ihm fremde und unerreichbare Person lebte, aber er fand nicht einmal eine Erinnerung aus der Zeit, in der er dreißig gewesen war. Der Kontakt dazu war abgerissen.
    Schon beim ersten Schluck lockerte der Wein ihn gefährlich auf. Er schwitzte, und nun bemerkte er, dass er auf ihre Brüste geschaut hatte, kleine, handliche Erhebungen, die nichts weiter zu tun hatten, als in aller Ruhe dort zu sein, wo sie sich befanden,
bedeckt, warm, duftend, rund, von wo aus man sie auch ansehen würde, wenn man dürfte. Sie wurden manchmal von den verschränkten Armen eingerahmt und vermochten ohne Weiteres auch einem Leben, das mehr verfloss, als es strebte, einen Sinn zu geben.
    Ada begann von der Mathematik zu sprechen, von der er nichts verstand. Er wechselte das Thema, doch bald hatte er den Faden verloren. Sie bemerkte das, schlug die Beine andersherum übereinander, und unter den Geräuschen der aneinanderreibenden, aufeinanderschiebenden, gleitenden und rutschenden Lagen Stoff, es war Seide oder etwas Ähnliches, bewegten sich beim Wechsel des Beines und Verlagern ihres Körpergewichtes auf die andere Hälfte des Gesäßes auch die beiden Seiten ihres Geschlechts: Das musste er denken. Sie zog den roten Umhang, der zur Seite gefallen war, mit zwei Fingern über den hellen Rock, machte einen spitzen Mund dazu, wenn er das richtig gesehen hatte, denn er hatte entgeistert auf die Stelle geschaut, die seine Imagination nicht loslassen wollte. Hitze schoss ihm ins Gesicht.
    Was hatte sie zuletzt gesagt?
    Ob sie denn morgen ins Labor komme, fragte er unvermittelt und unbewusst ahnend, dass er mit noch etwas mehr Wein zu einem Ausfall in der Lage sein würde, der es ihm nicht erlauben würde, noch einmal über sich selbst nachzudenken. Er hätte schreien wollen oder aufspringen und etwas zerstören oder eben etwas sagen, das ganz unmöglich war und ihn frei machen würde und allein. Den nächsten Schluck Wein würde er gar nicht im Mund behalten können, weil seine Zunge ihm nicht gehorchte. Als ob seinem Körper ein Notprogramm zur Verfügung

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