Die entführte Braut: Wenn die Braut sich traut (German Edition)
eine wirkliche Mutter zu sein. Bald nach dem Tod des Vaters hatte ihre Mutter alle Verbindungen zu ihrer Tochter abgebrochen. In einem Zustand der Verwirrung und Verzweiflung hatte sie Isabel an Pflegeeltern übergeben.
Die beiden O’Dells waren herzensgute ältere Leute, die felsenfest davon überzeugt waren, dass Isabels düstere Stimmungen daher rührten, dass das Mädchen zwischen seiner indianischen Herkunft und der weißen Mutter hin und her gerissen war. Die Pflegeeltern hatten nicht beabsichtigt, dass Isabel ihre indianische Herkunft leugnen und verachten sollte, aber ihre „typisch weiße“ Lebensart veränderte im Laufe der Zeit auch Isabel. Trotz bester Absichten hatten sie Isabel so stark beeinflusst, dass sie schließlich das Andenken an den Vater und dessen Stamm völlig verdrängte.
Als Isabel ihren Highschool-Abschluss gemacht hatte, waren die O’Dells nach Arizona gezogen. Danach hatte sich ihr Kontakt auf gelegentliche Briefe und die üblichen Weihnachtsgrußkarten beschränkt. Kein Wunder, dass sich Isabel nach einer Familie sehnte. Unbewusst hatte sie seither immer wieder nach einer Familie gesucht, der sie sich zugehörig fühlen konnte.
Bei Dan hatte sie damals beinahe die Geborgenheit gefunden, die sich so sehr wünschte. Mit einer Mischung von Staunen und Freude hatte sie das positive Ergebnis ihres Schwangerschaftstests zur Kenntnis genommen. Dann war sie in den Club geeilt, wo Dan an jenem Abend auftrat. Ungeduldig hatte sie gewartet, bis sie zu ihm laufen, ihn in den Arm nehmen und ihm sagen konnte, dass sie ein Baby von ihm erwartete.
Die Art, wie er darauf reagierte, war der Anfang vom Ende ihrer Beziehung. Er hatte entsetzt ausgesehen, ein paar leise Flüche ausgestoßen und sie dann mit einem falschen Lächeln getröstet und ihr Hoffnung gemacht. Natürlich würden sie heiraten und ein kleines Haus für sie beide in West Seattle finden. Sie würden Möbel und Geschirr einkaufen und sich ein gemeinsames Leben aufbauen.
Zwei Wochen später erlitt Isabel eine Fehlgeburt. Und zwei Wochen später verlor sie auch Dan. Er war zu einem Konzert unterwegs gewesen, als die Blutungen begannen. Als er bei ihr in der Klinik eintraf, stand schon fest, dass sie das Baby verloren hatte.
Er hielt sie in seinen Armen und weinte mit ihr, aber Isabel erkannte trotz ihrer Benommenheit durch die Schmerztabletten, dass er nur traurig zu sein vorgab, sich aber insgeheim erleichtert fühlte.
„Sie sind gerade eine Million Jahre entfernt von hier“, sagte Juanita, und ein Lächeln glitt über ihr faltiges Gesicht, das von den vielen Jahren ihres Lebens gezeichnet war.
Isabel lächelte zurück. „Ja, ich glaube, das war ich wohl eben …“
Juanita legte ihr Strickzeug beiseite, nahm ein Tuch aus einer Schüssel, die mit einer wohlriechenden, dampfenden Flüssigkeit gefüllt war, und wrang es aus. „Gegen meine Arthritis“, erläuterte sie und legte sich das Tuch um den rechten Ellenbogen.
„Ma, der Arzt hat doch gesagt, du sollst die Tabletten nehmen und das Heizkissen drauflegen“, erinnerte Theo sie.
„Meine Methode ist besser.“ Juanita sah Isabel an. „Ich benutze eine alte indianische Tinktur aus Nieswurz und Wermutkraut.“
„Es riecht wunderbar“, bemerkte Isabel. Nur in diesem Haus zu sein löste in ihr tiefe Empfindungen aus. Diese Menschen stellten ihr keine Fragen und machten ihr keine Vorwürfe, sondern nahmen sie einfach so an, wie sie war. Während Juanita in der Küche herumwirtschaftete, das Abendessen und einen Kräuteraufguss zubereitete, kehrten all die alten Gewohnheiten und Bräuche in Isabels Bewusstsein zurück. Zu ihrer eigenen Überraschung schmerzte sie das überhaupt nicht.
Der Regen hörte ebenso sanft auf, wie er begonnen hatte. Isabel ging auf die kleine Veranda vor dem Haus hinaus. Die ersten Sterne funkelten am Abendhimmel auf. Die Luft roch nach immergrünen Gewächsen und frischem Wasser. Es war kühl in dieser Höhenlage. Isabel zog den warmen Umhang fester um sich.
Sie hörte Dan kommen, noch ehe sie ihn sehen konnte. Sie hörte das Pferd, das Stampfen der Hufe, ab und zu das Schnauben des Tieres und das Knarren des Sattelzeugs.
Nicht jeden Tag kam ein Mann zu Pferde, um sie zu suchen.
Dann ritt er auf den dunklen Hof. Er hatte einen Poncho mit einer Kapuze an. „Und ich hatte schon gedacht, nach Bainbridge Island zu kommen, um dich zu holen, wäre eine riesige Anstrengung“, sagte er mit seiner tiefen, samtenen Stimme.
Theo kam hinaus auf die
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